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Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Titel: Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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schlichtweg unmöglich. Welcher der Gefährten sollte den anderen heimlich in den Rücken fallen, abgesehen vielleicht von Keb und ihr selbst? Ihre eigene Hingabe stand außer Frage, und der wallattische Prinz hatte seine Loyalität bewiesen, als er sich seiner eigenen Mutter widersetzte. Sollte er eines Tages seine Meinung ändern, dann gewiss nicht mitten in den Sümpfen des Lus’an.
    Zum Glück wurde sie nach dem Abendessen von ihren Grübeleien abgelenkt. Um sich die Zeit zu vertreiben, war Eryne sogar bereit, die Konzentrationsübungen fortzuführen, mit deren Hilfe sie sich in den Zustand der Entsinnung versetzen sollte. Diesmal hatte sie auf Anhieb Erfolg. »Ich habe etwas gehört!«, rief sie gleichermaßen verschreckt und stolz. »Es war nur ganz kurz, höchstens einen Wimpernschlag lang, aber … Ich habe Stimmen gehört. Oder besser gesagt, Gedanken.«
    Sie überlegte eine Weile, weil sie ihre Eindrücke ganz genau beschreiben wollte. Zejabel fühlte sich an ihren ersten Erfolg erinnert – allerdings hatte Zui’a sie damals für jedes Misslingen hart bestraft.
    »Es war ziemlich undeutlich«, sagte Eryne verärgert. »Vielleicht waren es Erinnerungs- oder Gesprächsfetzen. Ich bekam es nicht genau zu fassen.«
    »Das ist normal«, beruhigte sie Zejabel. »Mit der Zeit werdet Ihr lernen, Einzelheiten zu vernehmen, und bald werdet Ihr Euch auf einen Menschen oder eine bestimmte Gruppe konzentrieren können und nur ihre Gedanken hören.«
    »Das macht mir Angst«, murmelte Eryne. »Wer sind diese Menschen, denen ich gelauscht habe? Und vor allem: Wo sind sie?«
    »Das könnt nur Ihr selbst wissen. Vielleicht sind es Passagiere auf anderen Schiffen, vielleicht sind sie aber auch viel weiter weg. Im Übrigen beeinflussen Eure persönlichen Erfahrungen Eure Wahrnehmung.«
    »Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass es Lorelier waren«, bestätigte Eryne. »Und mehrere von ihnen hatten denselben Gedanken im Kopf. Das ist das Einzige, woran ich mich deutlich erinnere. Sie schienen zu glauben, König Bondrian sei tot.«
    Zejabels Bewunderung für die künftige Göttin wuchs noch ein wenig mehr. Gleich beim ersten Mal hatte sie es so weit gebracht!
    »Ihr habt den Zustand der Entsinnung gut genutzt«, sagte sie mit einem Lächeln. »Dieser König ist mit Sicherheit tatsächlich gestorben, und Ihr habt es allein mit der Kraft Eurer Gedanken herausgefunden.«
    Ihr Lob hatte nicht die erwartete Wirkung. Erynes Gesicht verschloss sich mit einem Mal, so wie in den ersten Tagen, als sie sich geweigert hatte, ihre göttliche Herkunft zu akzeptieren.
    »Das ist entsetzlich«, sagte sie tonlos.
    »War er ein Freund der Familie?«, fragte Zejabel. »Verzeiht mir, ich …«
    »Nein, das ist es nicht. Niemand rechnete damit, dass der König die nächste Jahreszeit der Erde überlebt. Aber auf diese Weise vom Tod eines Menschen zu erfahren … Soeben ist mir klar geworden, dass mir so etwas vermutlich noch öfter passieren wird. Ich hatte nicht bedacht, dass ich auch das Leid und den Schmerz der Menschen spüren würde. Dabei ist es schon schwierig genug, ihren Gedanken zu lauschen.«
    Die Zü nickte langsam. Tröstende Worte fielen ihr keine ein. Es war sinnlos, Eryne anzulügen, um sie zu schonen: Die werdende Göttin würde im Verlauf ihrer Entwicklung viele Prüfungen zu bestehen haben. Eryne musste genug Kraft aus sich selbst schöpfen, um sich davon nicht entmutigen zu lassen. Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, schien Eryne das Thema wechseln zu wollen.
    »Eine Frage stelle ich mir schon länger: Die Gwelome, die wir tragen, schützen uns vor den Blicken der Götter – aber was ist mit den Leuten, denen wir begegnen? Wenn sich Sombre in den Zustand der Entsinnung versetzt, kann er uns doch über die Gedanken jedes Menschen in unserer Umgebung aufspüren.«
    »Dafür müsste dieser Mensch unsere Namen kennen«, beruhigte sie Zejabel. »Und dass Sombre ständig sämtlichen Gedanken aller Sterblichen auf der bekannten Welt lauscht, ist eher unwahrscheinlich. Dazu ist selbst Zuia nicht in der Lage. Im Zustand der Entsinnung kann man zwar vielen Gedanken aufs Geratewohl lauschen, aber um einer bestimmten Gruppe Menschen gezielt zuzuhören, muss man sich stark konzentrieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Dämon uns auf diesem Weg findet.«
    »Aber es ist nicht unmöglich?«, fragte Eryne mit gerunzelter Stirn.
    »Nein«, musste Zejabel zugeben.
    »Dann können wir nur noch beten.«
    Zejabel wartete geduldig

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