Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
II
entfernt. Ängstlich wichen die Schaulustigen vor ihnen zurück.
Amanon starrte ihnen so unverwandt entgegen, dass er zusammenzuckte, als Nolan neben ihn trat. Er begrüßte die drei Boten Zui’as mit einer beiläufigen Geste und richtete seine Aufmerksamkeit dann mit perfekt gespielter Gelassenheit auf den Haikadaver.
Amanon ließ die Männer nicht aus den Augen. So unglaublich es auch war: Nolans Anblick schien sie umgestimmt zu haben. Der Anführer bedeutete seinen Komplizen, stehen zu bleiben, und die drei wechselten ein paar rasche Worte. Dann machten sie auf dem Absatz kehrt und schlenderten zurück zum Platz.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Amanons verkrampfte Muskeln lösten. Am liebsten wäre er Nolan um den Hals gefallen, doch damit würde er warten müssen, bis sie unter Deck waren.
Die Erben hatten beschlossen, die Feluke erst im fünften Dekant, wenn die Sonne am heißesten brannte, zu verlassen und sich in die feindliche Stadt vorzuwagen. Für Erynes Geschmack verging die Zeit viel zu schnell. Kaum hatten die Erben ein hastiges Mahl eingenommen, sich bequemere Kleider angezogen und die wenigen Sachen, die sie mitnehmen würden, zu Bündeln geschnürt, da mahnte Amanon auch schon zum Aufbruch.
Eryne graute davor, die Sicherheit der
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aufzugeben und sich durch Sümpfe und Urwald zu kämpfen. Trotz allem, was die Gefährten bereits durchgemacht hatten, schreckte sie die Aussicht auf ein solches Abenteuer. Etwas Derartiges schickte sich einfach nicht für eine künftige Herzogin.
Dennoch ging sie hoch an Deck, als Amanon das Zeichen zum Aufbruch gab, und legte ihr Bündel in einen der beiden Weidenkörbe, in denen sich bereits die Habseligkeiten der anderen befanden. Dann trat Nolan, immer noch als Zu verkleidet, auf den Pier, gefolgt von Zejabel, Keb und Bowbaq. Der Arkarier und der Wallatte trugen die Körbe mit dem Gepäck und den darunter verborgenen Waffen.
Die kleine Schar wanderte durch die grelle Sonne, Nolan als selbstgefälliger Priester an der Spitze. Er spielte seine Rolle wirklich gut. Während Eryne ihnen nachsah, beschlich sie das mulmige Gefühl, er könnte zu leichtsinnig werden. Aber sie saßen ohnehin alle im selben Boot: Falls einer von ihnen enttarnt wurde, würden die anderen ihm natürlich zu Hilfe kommen, und dann würden die Züu sie alle töten.
Der Vorschlag, sich zu trennen, stammte von Amanon. Er wollte um jeden Preis verhindern, dass sie Aufmerksamkeit erregten. Sein Plan sah vor, dass Zejabel, Nolan, Keb und Bowbaq aus der Stadt führte und das Reden übernahm, falls sie angesprochen wurden. Eryne, Amanon, Niss und Cael würden ihnen in sicherem Abstand folgen. Das war in jedem Fall klüger, als zu acht mit großen Bündeln auf dem Rücken und Waffen am Gürtel durch die Stadt zu spazieren, aber gefährlich war dieser Vorstoß in feindliches Gebiet natürlich trotzdem.
Außerdem dachte Eryne mit Sorge daran, dass sich Zejabel auf ihrer Heimatinsel nicht besonders gut auskannte. Als Anwärterin auf den Titel der Kahati hatte sie ihre gesamte Kindheit und Jugend im Lus’an verbracht, und so war ihr die Hafenstadt beinahe so fremd wie ihren Gefährten. Zejabel war nur wenige Male hier gewesen, zu religiösen »Feiern«, an denen die Mädchen auf Befehl der Judikaturen teilnehmen mussten. Die Zeremonien wurden an einem geheimen Ort abgehalten, fernab des belebten Hafens, aber Zejabel hätte wohl kaum so lange überlebt, wenn ihre Neugier nicht ebenso groß wie ihre Tapferkeit gewesen wäre. Im Laufe der Zeit hatte sie einiges über die Stadt aufgeschnappt und hoffte nun, sich einigermaßen zurechtzufinden. Eryne betete, dass ihre Ortskenntnis ausreichte. Die Vorstellung, einen Einheimischen nach dem Weg fragen zu müssen, war äußerst unangenehm.
Als sich Nolan mit seinem Gefolge den Häusern näherte, beschloss Amanon, ebenfalls aufzubrechen. Die anderen hielten sich dicht hinter ihm, und Eryne zitterte trotz der brütenden Hitze. Während die Planken des Stegs unter ihren Schritten knarrten, wandte sie sich unwillkürlich zur
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um. Um das Schiff vor ungebetenen Gästen zu schützen, hatten sie die Luke zum Laderaum verrammelt und verschiedene Vorkehrungen getroffen, die ihnen bei der Rückkehr anzeigen würden, ob ein Eindringling an Bord gewesen war. Aber wer wusste schon, ob sie jemals zur Feluke zurückkehren würden? Oder auch nur das Meer wiedersehen?
Zejabel gab ein zügiges Tempo vor, auch wenn sie darauf achten mussten, keine
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