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Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Titel: Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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wundern, wie dicht die Feluke an ihnen vorbeifuhr. Wären die Erben an Land gegangen, hätten sie unweigerlich die Aufmerksamkeit der Mörder erregt, die über die Insel herrschten. Fremde, die auf die Insel Zuia kamen, durften nur den Hafen und seine unmittelbare Umgebung betreten, und wer sich unerlaubt aus diesem mehr oder minder neutralen Gebiet herauswagte, wurde mit dem Tod bestraft.
    Irgendwann kam eine Stadt mit mehreren Landungsbrücken in Sicht. Zejabel kannte keinen anderen Namen dafür als »der Hafen«, obwohl es sich um die größte Ansiedlung und den wichtigsten Warenumschlagplatz der Insel handelte. Das Lus’an wiederum war das geistige Zentrum der Insel, das die Judikaturen nur verließen, um bei öffentlichen Hinrichtungen ihre Macht zur Schau zu stellen. Das einfache Volk hatte nicht genug Geld, um von der Insel fortzugehen, und die einzige Hoffnung der Inselbewohner bestand darin, dass ihre Söhne auserwählt wurden, Zuia zu dienen. Bisweilen nahmen die Priester auch Mädchen im Kleinkindalter auf, so wie in Zejabels Fall. Die Inselbewohner, die in bitterer Armut und ständiger Angst vor Zuias Rache lebten, empfanden die Trennung von ihren Kindern als ein Geschenk der Göttin, denn so hatten zumindest ihre Nachkommen Aussicht auf ein besseres Leben.
    Seit sie die Insel Zui’a am Horizont erblickt hatten, machte sich Nolan Sorgen um Zejabel. Hatte sie Heimweh? Sehnte sie sich nach ihrem privilegierten Leben im Lus’an? Ganz abwegig war das nicht …
    Sie hatte so viel durchlitten, um den Titel der Kahati zu erringen, und war als Nachfolgerin der Göttin mit derselben Ehrerbietung wie Zui’a behandelt worden. Aber hatte das den Verlust ihrer Familie und die völlige Selbstaufgabe wettgemacht? Selbst ihren Namen, Zejabel, hatte ihr einer der Judikaturen gegeben. Nachdem sie ihre Eltern hatte verlassen müssen, waren ihre Lehrer bemüht gewesen, die Vergangenheit des Mädchens auszulöschen.
    All das hatte sie ihm auf der Reise von Goran ins Schöne Land beiläufig erzählt, als handelte es sich um eine belanglose Anekdote, aber Nolan ging die Sache einfach nicht aus dem Kopf. Zejabel hatte keine Möglichkeit, ihre Eltern wiederzufinden – falls sie überhaupt noch am Leben waren. Auch wenn sie nicht besonders darunter zu leiden schien, war er jedes Mal ganz befangen, wenn das Gespräch auf seine glückliche Kindheit oder seine Eltern kam.
    »Und was nun?«, fragte Amanon in die Runde. »Versuchen wir unser Glück noch einmal auf der anderen Seite der Insel? Oder legen wir im Hafen an?«
    »Gefährlich ist beides«, überlegte Bowbaq laut. »Also können wir auch gleich hier vor Anker gehen. Wir werden die Insel wohl oder übel zu Fuß überqueren müssen.«
    Nolan und Zejabel wechselten einen raschen Blick. Die Zü hatte die Erben eindringlich vor dem beschwerlichen Marsch gewarnt. Er konnte nur hoffen, dass sie die Gefahren übertrieben hatte.
    »Dann solltet ihr euch jetzt umziehen«, sagte Amanon.
    Nolan nickte und stieg die Treppe hinab, gefolgt von Zejabel, die schweigsamer und verschlossener war denn je. Dabei hatte sie sich sonst so gut im Griff. Hoffentlich verlor sie nicht ausgerechnet jetzt die Nerven.
    Wie vereinbart verschwand Zejabel als Erste in der Kajüte, um sich ein Kleid überzuziehen, das sie von Eryne geliehen hatte und das wesentlich unauffälliger war als ihr purpurrotes Kahatigewand. Als sie nach einer Weile durch die Tür trat, fand Nolan sie trotz ihres traurigen Gesichtsausdrucks wunderschön. Mit ein paar Komplimenten gelang es ihm, ihr ein schwaches Lächeln zu entlocken, doch auf weitere Aufmunterungsversuche verzichtete er. Wenn sie erst einmal unterwegs wären, würde es ihr vielleicht besser gehen, denn sie schien sich immer dann am wohlsten zu fühlen, wenn es etwas zu tun gab. Außerdem musste auch er sich nun umziehen.
    Die Erben gingen davon aus, dass sie von einem oder mehreren Boten Zui’as befragt werden würden, wenn sie in den Hafen einliefen. Daher würde sich Nolan als Zü-Priester ausgeben, um sie zumindest davon abzuhalten, das Schiff zu durchsuchen.
    Damit gingen die Erben zwar ein großes Risiko ein, doch wenn alles nach Plan lief, würden sie sich anschließend in noch ein viel gefährlicheres Gebiet vorwagen. Mit seinem schlanken Körper, dem jungenhaften Gesicht und dem kahlgeschorenen Schädel gab der Novize einen recht überzeugenden Zü-Priester ab. Zejabel reichte ihm ihr Kahatigewand. In der Kajüte zog Nolan die Pluderhose an und band

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