Die Krieger von Gordolon (German Edition)
ihm am besten bei? Immerhin hatte er - wie er selbst in Erfahrung hatte bringen können - jahrelang zusammen mit Kajetan gearbeitet. Als Freitruppe waren sie nahezu unschlagbar gewesen! Erst, als die Gemeinschaft nach und nach zersplittert wurde im Kampf um den Westen, verließ sie die Kraft. Und jetzt hatte sie auch noch ihr Anführer verlassen, der das stärkste Glied ihrer Kette war. Außerdem würde er ihm kaum glauben schenken. In seiner Zeit als Krieger am Hofe des nordischen Königs der Zwerge hatte er oft mitbekommen, wie die Frauen im Kampf gestorbener Ehemänner ausrasteten und Krüge und Stühle zerschlugen, wenn der König selbst in Begleitung seines Hofschreibers die Namen der Gefallenen ausrief. Der Verlust von einem Menschen, einem Freund, oder gar einem Partner, machte die, welche mit jenen in besonderen Verbindungen standen, wütend oder bestürzt. Oft sogar wollten die Betroffenen gar nichts davon wissen und taten es als Lüge ab. Würde auch Rocan es als Lüge abtun? Der Zwerg sah in ihm einen großen Krieger, einen Jungen, der mehr vor sich hatte, als er glauben könnte. Es war die Zukunft, in die er seine Kraft legen musste, nicht die Vergangenheit, der er nachtrauern sollte. Schließlich sagte er, wohl überlegt und mit ruhiger, sanfter Stimme: „Der Truppführer und Feldherr, Josias Kajetan, weilt nicht mehr unter uns. Ramhad hat sein Leben gefordert.“
Rocan stand erstarrt. Kein Zug regte sich. Er saß noch immer so forsch wie vor drei Sekunden da, das Gesicht war nun zu einer steinernen Maske ohne Regung geworden. Anscheinend hatte ihn die Nachricht des Todes mehr erschüttert, als man hätte glauben können.
Kingroh nickte langsam. „Er hat sich heldenhaft für dich geopfert. Ich glaube, er hat dich wie einen Sohn geliebt.“
„Wo ist sein Grab?“ Der Elf sprach nur diese einzigen Worte, ohne Tränen, ohne Aufschrei.
„In den Bergen nördlich von hier erstrahlt ein Hügelgrab, wie es keines seit Hunderten von Jahren tut. Weiße Banner leuchten über ihm, der Wind streicht kühl über die rauen Steine und der Himmel ist klar, weit und blau. Dort herrscht Frieden, und es duftet nach Wildblumen, Jasmin und Rosen.“ - „Es ist das, was er verdient hat.“
Rocan nickte. „Das ist es wohl.“ Er schien in die Leere zu starren. Die Wälder von Darroloiong um ihn herum rauschten. „Und...“, begann er vorsichtig, „was ist mit Ramhad?“ Jetzt sah er den Zwerg an, blickte ihn direkt an und der andere wusste, dass er die Wahrheit sagen musste, denn der Junge würde jede Lüge sofort durchschauen.
„Er...“ Dunc schluckte. Er hatte ein unbehagliches Gefühl dabei. „Mach dir keine Sorgen mehr um ihn!“ Er wich der Frage aus, beantwortete sie aber trotzdem mit einem Satz, der ungenau formuliert war, jedoch mehr zur Lüge tendierte, als zur Wahrheit. Der Untermensch drehte sich um, und wollte gehen, wurde aber von dem Jungen aufgehalten, der gerade etwas erwidern wollte.
„Rocan!“ Eine freudige Stimme begrüßte ihn; der dunkle Onkel glitt über die Lichtung zu ihm hin, den Arm in einer präsentierenden Geste offen vor sich gehalten. Sein schwarzer Mantel wankte beim Gehen hin und her und sein Schritt war kräftig, das Haar immer noch das eines ‚Schwarzen’, nicht das eines Lehrlings, und überhaupt wirkte er kräftiger und wohlgenährter als das letzte Mal, als sie sich begegnet waren. Noch immer besaß er die großen Hände mit den schlanken Künstlerfingern und die ausgeprägte Statur, nur die Zeit der Krankheit schien ab jetzt endlich vorbei zu sein. Er trat wieder kräftiger auf, wie nach mehreren Nächten langen Schlafes und guten Essens. Er trat vor ihn, untersuchte ihn kurz mit seinen Blicken, erst dann kniete er sich vor ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wie ich sehe, geht es dir bereits wieder besser?“
Der Elf legte den Kopf schief und verzog das Gesicht. Er versuchte sich zu bewegen, doch aus irgendeinem Grund wog Thronns Hand plötzlich Tonnen. Er ächzte, als seine Muskeln rebellierten. „Thronn...“, begann er. „Was... Was ist in der Nacht passiert?“
Der Magier visierte einen Punkt irgendwo zwischen ihnen an und betrachtete diesen wortlos. Schließlich sagte er doch etwas, wobei er sehr genau Rocan s Augen suchte: „Erinnerst du dich nicht?“ Der Junge schüttelte reumütig den Kopf. Der andere machte ein angestrengtes Gesicht. Dann visierten ihn seine grauen Augen erneut an. „Es ist mehr passiert, als du dir vorstellen kannst,
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