Die Krieger von Gordolon (German Edition)
Umgebung verriet nur sehr wenig über das, was er sah. Der Wald war ruhig und gelassen, und genau das war es, was ihn störte, die vorherige Harmonie hatte ihn mit etwas erfüllt, dass ihn jetzt stocken ließ. Keltyaran schnaubte unruhig und scharrte mit seinen Hufen in dem Kies des Passweges. Vorsichtiger und umsichtiger denn je trabte er weiter, ließ nun die Umgebung nicht mehr aus seinen scharfen Elfenaugen.
Und dann sah er es.
Ein erdiger Hügel, der sich auf einer kleinen Lichtung erhob, und die Sonnenstrahlen waren ein feines Geflecht aus Gold und Prunk, das hernieder ging und die Halme beleuchtete. Er beschloss halt zu machen, denn die Sonne stand bereits nur noch wenige Minuten über den Gebirgen zu seiner Rechten, und der ganze Himmel dort war von goldroter Farbe überzogen, ein Eindruck, welcher der Umgebung Schätze und Reichtum verlieh. Mit kundigen Blicken trat er näher an die Hügelgräber heran, auf denen sich Kirschblüten vom Wind getragen betteten, und die Pforten aus schwerem Schmiedeeisen waren mit Gemälden, Sinnbildnissen und Wappen verziert. Das eine war ein Schwert mit weit verschnörkelt ausgreifendem Heft, und das andere königlich, seine eigenen Insignien. Es waren Sephoría und Arkanon Vivren, die hier lagen, die eine seine Schwester, der andere sein Freund. Beide hatte er gut gekannt, geschätzt, und auf seine Weise geliebt. Sie hatten ihm vertraut, wie er ihnen vertraut hatte, und daraus war ein Teufelskreis geworden, ein Kreis, der jetzt geschlossen war.
Er schluckte die Tränen hinab, und ohne dass er es wollte, erfüllte ihn schwere Melancholie und sein Blick sank in Demut. Mit geschlossenen Lidern kniete er sich vor ihren Gräbern hin, und begann zu beten, lang und ausführlich, so, wie er es lange nicht mehr getan hatte. Er bittete um sein Seelenheil, und um das seiner engsten Freunde und Verwandten. Und um das Kajetans, der irgendwo in den rauen Gebirgen unter den Steinen lag, die hier so prunkvoll hergerichtet waren. Er atmete den süßen Duft der Kirchblüten ein, und er mischte sich mit dem des Salzes seiner Tränen. So wiegte er sich in Trance, voller Gefühlen der Verantwortungslosigkeit und des Einsehens, aber er wusste, dass es so gut wie nichts nützte. Dennoch glaubte ein Teil von ihm an etwas anderes, an Versöhnung und Einklang. Er wusste nicht, ob er dem Glauben schenken sollte, aber sein Herz erflehte es, und sein Herz war das Einzige, dem er nicht widersprechen konnte.
Der Tag versank langsam schneller und schneller, im Osten hing schon ein dunkles Grau und nur noch ein schmaler Streifen Licht bettet den Himmel in seine felsige Liege.
Es war so weit.
Stumm erhob er sich, und sein ganzer Kummer war wie mit einem Mal weggeblasen, verschwunden, und er sah nur noch die rauen Steine des Hügelgrabes, Basaltbrocken, die übereinander geschichtet waren, und noch den letzten Rest an Leben des himmlischen Glutofens in sich behielten. Hier und da war helles, junges Gras über die Felsen gewachsen, und er merkte wieder, wie lang er wirklich im Osten gewesen war, und es tat ihm ewig leid. Aber dennoch erfasste ihn kein weiterer Angriff von Trauer. Statt dessen weckte ihn das Schnauben Keltyaran s, der wiehernd den Kopf schüttelte, seine schwarze Mähne flog. Er hatte es an einen Baum gebunden, in dem ein dunkler Pfeil inmitten von Harz steckte. Unweigerlich musste er seinen Blick drehen, und sah das Pferd eine Sekunde lang an, bevor er registrierte, dass das, was er irrtümlich als Baumharz gehalten hatte, eingetrocknetes Blut war.
Ein scharfes Zischen nahe seines Ohres und ein harter Ruck weiter vor ihm bei den Kirchen ließ ihn förmlich aus seiner Ruhe fahren. Ein langer, geschwärzter Pfeil mit zerzaustem, gefiedertem Ende hatte sich keine drei Yard vor ihm in die silberne Borke des Baumes gebohrt, vibrierte noch immer. Ärgerliches Grummeln vernahm er aus einem Gebüsch hinter ihm.
Schnell drehte er sich herum, während er einen Schritt beiseite machte, gerade noch rechtzeitig einem zweiten Pfeil zu entgehen, der statt dessen nur durch sein dunkles Haar fuhr. Einige fadendünne Strähnen segelten zu Boden. Noch in der ausweichenden Bewegung riss er Azraìl aus seiner Scheide und erblickte einen Orkschützen, der etwa dreißig Yard entfernt vom ihm zwischen den Stämmen kauerte und gerade mit einer ärgerlichen Geste den schwarzen Bogen von sich warf, die Hand schon nach dem Messer gestreckt. Eszentir rannte auf ihn zu, sah seine abgerissene, dunkelhäutige und
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