Die Kriegerin der Kelten
und ihn jenen Offizieren anzukündigen, die nun über all das, was Corvus in seiner Heereslaufbahn gewesen war, zu Gericht sitzen würden.
Doch was ihn nun erwartete, war gar kein Tribunal. Es war etwas noch sehr viel Größeres. Der Legat und die Tribune der Zweiten Legion waren da, genauso wie der Legat und die Tribune der Vierzehnten Legion. Zwei der drei rangältesten Offiziere der Zwanzigsten Legion waren noch am gleichen Tag ums Leben gekommen, wodurch nur noch ein rangniedrigerer Tribun zurückblieb, um seine Legion anzuführen und zu repräsentieren.
Acht Offiziere drängten sich um jenen Tisch des Gouverneurs, der eigentlich nur für vier geschaffen worden war, Schulter an Schulter, regelrecht zusammengepfercht, und mit kleinen Lämpchen vor einem jeden von ihnen, sodass Streifen aus Licht und Schatten von unten über ihre Gesichter zu kriechen schienen. Ganz am Ende des Tisches saß ein neunter Mann, der etwas stämmiger war als die anderen und dessen Haar von einem so hellen Blond war, dass es fast schon weißlich schimmerte. Er allein hatte genügend Raum zum Atmen, um sich zu bewegen und um seine dicken Finger um seinen Weinkelch zu legen. Drei mal drei, die Zahl des Jupiter, oder aber auch die Zahl eines kompletten Militärgerichts.
Die Binsen auf dem Boden waren noch in nassem Zustand geschnitten worden, sodass sie mittlerweile zu verfaulen begannen. Corvus spürte, wie sie ihm unter den Füßen wegrutschten, während er näher trat. Die Zeit schien sich zu dehnen, sodass ihm der kurze Weg von der Tür bis zu jenem Platz, an dem er zu stehen hatte und wo die Lampen besonders hell brannten, ebenso lang vorkam wie die Überquerung der Meeresenge von Mona. Er kannte sämtliche der Offiziere, die ihm nun gegenübersaßen, manche von ihnen besser, andere weniger gut. Mit Galenius, dem Legaten der Vierzehnten Legion, war Corvus in seiner Jugend befreundet gewesen. Agricola, der Tribun der Zwanzigsten, teilte sich ein Zelt mit dem Gouverneur. Und Clemens, der befehlsführende Tribun der Zweiten Legion, hatte mit seinen Truppen einen Winter in Camulodunum verbracht und so oft Wein, Bad und Essen mit Corvus geteilt, dass dieser ihre Treffen schon gar nicht mehr hatte zählen können.
Keiner dieser Männer wagte es nun, ihm in die Augen zu schauen. Und keiner ließ auch nur im Geringsten erkennen, dass er Corvus bereits kannte. Somit blieb es also dem weißblonden Britannier überlassen, sich schließlich umzuwenden, Corvus vom Kopf bis zu den Füßen zu mustern und zu fragen: »Und das hier soll der Mann sein, den ihr gerne tot sehen möchtet? Sieht doch eigentlich gar nicht so aus, als ob der das Zeug hätte, erst den Göttern in die Augen zu blicken und das dann auch noch völlig unbeschadet zu überstehen, egal, ob nun im Meer oder an Land.«
Er sprach Latein mit dem Akzent eines Mannes aus dem Norden. Keiner erwiderte irgendetwas. In einem Militärgericht, das durch den Befehl und die Zustimmung des Kaisers zusammengerufen wurde, fügten sich die Anwesenden üblicherweise der Ansicht jenes Offiziers, der den höchsten Rang bekleidete, was in diesem Fall der Gouverneur war. Ein Mann der Stämme dagegen, selbst wenn er ein Kurier einer dem Kaiser treu ergebenen Königin war, galt hier schlicht als Barbar, dessen dümmliche Bemerkung ihm somit verziehen war und nicht ins Protokoll aufgenommen wurde.
Endlich hatte Corvus seinen Platz vor dem Gouverneur erreicht und blieb stehen. Nur sehr langsam sah jener Mann, dessen Wohlwollen nun darüber entschied, ob Corvus auch weiterhin leben würde oder nicht, von seinen beiden schiefergrauen Windhunden auf, die bis dahin offenbar seine ganze Aufmerksamkeit gefesselt hatten. Paulinus hatte sich wieder beruhigt. Der Zorn, den er vor nicht allzu langer Zeit noch empfunden hatte, war einer für ihn typischen nüchternen und fast schon ätzend scharfen Neugier gewichen.
Corvus hatte schon des Öfteren mit ansehen müssen, wie der Gouverneur Männer regelrecht in die Verdammnis geschickt hatte, als er in genau dieser Stimmung gewesen war. Corvus versuchte, dem offenen Blick aus braunen Augen so gelassen zu begegnen, wie sein dröhnender Kopf es ihm nur irgend erlaubte. Wahrscheinlich konnten die Männer, die nun über ihn urteilen würden, zwar nicht das Hämmern des Herzens in seiner Brust hören. Aber sie würden wahrscheinlich das leichte Beben sehen, das sein Herz mit jedem neuerlichen Schlag durch seinen Körper jagte. Vorsichtig presste Corvus die
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