Die Kriegerin der Kelten
sicheren Gewissen weiterleben könnte, dass mein Tod bereits gesühnt sei.«
»Und an dieses Versprechen hast du dich gehalten. Ich habe es gesehen. Aber was ist mit deinem Sohn? Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht. Er ist vor drei Jahren von hier fortgegangen. Sein Ziel war die Insel Mona. Seitdem habe ich nie wieder von ihm gehört.«
Natürlich hätten all ihre Worte auch Lügen sein können, doch Stone vertraute ihr offenbar, und Breaca glaubte ihm mehr als einem Mob aufgebrachter Menschen, die mit Knüppeln und Messern bewaffnet auf den langsamen Tod eines Verräters sannen. Breaca musste eine Entscheidung treffen. Jetzt. Musste die Frau entweder töten oder laufen lassen. Die Kämpfe auf der Tempeltreppe und im oberen Teil des Hofs hatten geradezu chaotische Züge angenommen, die Kämpfenden hatten sich zu kleinen Grüppchen verkeilt, und zu viele Römer und zu viele Krieger drängten immer dichter auf jenen Punkt zu, an dem Breaca und die Frau mit dem rostroten Haar standen.
»Wenn ich dich jetzt am Leben lasse, wirst du dann gegen uns kämpfen oder jene unterstützen, die uns töten wollen?«
»Nein. Du siehst doch offenbar jede einzelne Facette meiner Seele. Siehst du nicht auch das?«
»Nun, zumindest möchte ich dir gern glauben, was du sagst. Geh zu Airmid und Lanis. Sie verstecken sich beim Theater. Und bei ihnen sind die Mädchen. Sag ihnen, dass ich dich geschickt habe.«
»Wer bist du?«
»Breaca, Mutter von Graine, die von Rom vergewaltigt wurde. Hätte ich sie in einem Schweinepferch verstecken können, hätte ich das in jedem Fall getan. Und ich werde es für den Rest meines Lebens bedauern, dass ich dazu nicht die Möglichkeit hatte. Klettere über die Mauer und lauf. Ich werde tun, was ich kann, um die anderen davon abzuhalten, dich zu verfolgen.«
Breaca beobachtete, wie die Frau davoneilte. Dann kam auch schon Knife herbeigerannt, wollte über die Mauer springen und der Frau nachsetzen, doch Breaca hinderte ihn daran. Schließlich folgte noch ein Veteran. Ganz offenbar hatte er begriffen, was für eine Frau da vor ihm floh. Doch auch ihm stellte Breaca sich in den Weg, sie kämpften, und er starb.
Am Ende, als sich keine Überlebenden mehr im Tempel versteckten, als die Leichen ins Innere geschleift worden waren und das ganze Gebäude in Flammen aufging, marschierte Breaca erschöpft zurück zum Theater. Sie war auf der Suche nach Airmid und Theophilus und fand sie schließlich ein Stück außerhalb der Stadtgrenzen, wo diese sich auf einer sporadisch mit Felldächern überspannten Wiese den Verwundeten widmeten. Hier waren der Gestank und die Gefahr von ansteckenden Krankheiten etwas geringer.
Geschützt unter diesen Zelten hatte Theophilus auch die drei kleinen Mädchen gewaschen, und Airmid hatte ihnen zu essen gegeben. Nun spielten die drei inmitten von Staub und Asche gelangweilt mit einigen Knöchelchen und lauschten derweil den Sagen und Geschichten, die ihnen eine schlanke Kriegerin aus dem Stamme der Eceni erzählte. Der eine Unterarm der Frau war gegen ihre Brust gebunden, und sämtliche ihrer langen Glieder waren mit Schienen bewehrt. Sie war eine von den Hunderten, die nun Cunomars Befehl folgten. Zwar war sie noch keine Bärinnenkriegerin und kämpfte nur ganz am Rande der Schlachtfelder, hoffte aber, eines Tages zur Bärinnenkriegerin ausgebildet zu werden. Genau wie all die anderen, an deren Seite sie kämpfte, hatte sie sich ihr Haar in einem Bogen über beiden Ohren abrasiert und den verbleibenden, langen Schopf in tiefem Kupferrot mit Kalkpaste und Gänsefett versteift, sodass er ihr wie eine Art Kamm, wie der Kiel eines Boots vom Hinterkopf abstand.
Die drei strohblonden Mädchen waren von dem Ergebnis maßlos begeistert. Oder vielleicht hatte es ihnen auch nur die Sprache verschlagen. In jedem Fall saßen sie stumm zu Füßen der Kriegerin und lauschten deren Geschichten von den Schlachten, die die Krieger bereits gegen Rom gewonnen hatten. Die Knöchelchen, mit denen sie zuvor noch halbherzig gespielt hatten, waren längst vergessen. Erst als Breaca erschien, die immerhin die Heldin der ganzen Geschichten war und nur noch von ihrem eigenen Sohn übertroffen wurde, hielt die Kriegerin inne und schwieg.
Ein wenig abseits der kleinen Gruppe blieb Breaca stehen. Die Mädchen wirkten nun etwas entspannter, und es haftete auch nicht mehr dieser durchdringende Geruch an ihnen. Dennoch starrten sie ihre Heldin mit großen Augen an und stopften sich die Fäustchen in
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