Die Kriegerin der Kelten
Hofbegrenzung zurück, um sich ein wenig mehr Bewegungsfreiraum zu verschaffen. Sofort wollte die Frau durch die entstandene Lücke stürmen, verlor dadurch aber zugleich ihre Deckung, sodass Breaca ihr mit einer schnellen Bewegung das Schwert aus der Hand schlagen konnte. In hohem Bogen segelte es über die Mauer hinweg und landete in dem von Asche überzogenen Schlamm dahinter.
Es war unter der Würde einer Kriegerin von Breacas Format, diese schutzlose Frau nun einfach niederzumetzeln. Außerdem gab es noch Fragen, die sie gerne beantwortet haben wollte. Also schwang sie ihre Waffe wieder zurück und hielt sie dann waagerecht und auf Höhe des Brustbeins wie eine Art Barriere zwischen sich und die Fremde. Abrupt hielt die Frau inne. Wie angewurzelt stand sie da. Dann zischte sie Breaca irgendetwas entgegen, geiferte wie eine Wildkatze, machte andererseits aber auch keine Bewegung, durch die sie Breaca schließlich doch noch gezwungen hätte, sie zu töten.
»Warum musstest du in einem Schweinepferch ausharren?«, fragte Breaca.
Die Frau senkte den Blick. Bis zu den Knöcheln hinauf waren ihre Füße mit altem, getrocknetem Kot verklebt. Der durchdringende Geruch von Schweinemist, der von ihr ausging, war selbst über den typischen Gestank der Schlacht hinweg noch deutlich wahrzunehmen.
Und irgendetwas an dieser Bemerkung schien die Frau mit Zorn und neuem Leben zu erfüllen. Sie fauchte und benutzte nun mangels eines Schwertes einfach ihren Schild als Waffe und wirbelte wild damit herum. Für einen kurzen Moment musste Breaca ihren Schild wieder hochreißen, ihn der Fremden entgegenstemmen und gleichzeitig einen Schritt zurückweichen, um Stone vortreten zu lassen - aber natürlich nicht so dicht, dass er die Frau hätte töten können - und sie dann abermals in die Ecke und gegen die kleine Steinmauer zu drängen.
Breaca sprang vor und setzte der Frau abermals die Schwertspitze an die Kehle. Und wie zuvor trugen weder deren Knochen noch Fleisch noch Haut auch nur die geringste Verletzung davon. »Wenn ich wollte, könnte ich dich nun töten«, erklärte Breaca. »Andererseits könnte ich dir aber auch verraten, dass deine Tochter lebt und in Sicherheit ist. Und wäre ich an deiner Stelle, würde ich mich von einer solchen Nachricht am liebsten gleich selbst überzeugen.«
Allein die, die bereits alles verloren haben, was ihnen jemals am Herzen lag, können dem Tod ohne Angst entgegenblicken. Eine Mutter jedoch, die weiß, dass ihr Kind am Leben ist, gehört nicht zu diesen Menschen. Die Frau mit dem rostroten Haar hielt inne, gab den Kampf auf. Sie ließ ihren Schild sinken und schlug eine Hand vor das Gesicht. Weiß traten ihre Fingerknöchel hervor. Sie zitterte, wie auch Stone gezittert hatte, was bei ihr jedoch weniger von unterdrückter Anspannung herzurühren schien, als vielmehr von Angst, Verzweiflung und verborgenem Leid.
»Woher willst du das wissen?«, fragte sie.
»Du meinst, woher ich weiß, dass es deine Tochter ist? Sie hat dein Haar und deine Augen.«
Die Frau nickte kaum wahrnehmbar.
»War das auch der Grund, weshalb ihr euch im Schweinepferch verstecken musstet? Wollte die Menge euch töten? Habt ihr sie etwa an Rom verraten?«
»Das haben sie zumindest behauptet.« Hastig brachen die Worte zwischen ihren Fingern hervor.
Breaca zog ihr Schwert zurück und setzte sich auf die steinerne Mauer. Auf den Stufen zum Tempel hinauf tobte noch immer ein erbitterter Kampf, fochten Männer und Frauen, Krieger und Römer. Einige wurden verletzt und starben, andere überlebten und wurden aus stillem Jubel über ihren Erfolg regelrecht tollkühn. Breaca aber befand sich wie in einer Blase der Ruhe, während Stone sie bewachte und eine innerlich zerbrochene Frau vor ihr stand. »Weil der Vater deiner Tochter Römer war?«, fragte Breaca. »Oder war es sogar noch schlimmer? War er etwa einer derjenigen, die Claudius in Cunobelins Siedlung haben einmarschieren lassen?«
Die Frau ließ die Hand, hinter der sie sich soeben noch versteckt hatte, langsam wieder sinken. Sie war zuvor schon blass gewesen, nun aber wirkte ihre Haut regelrecht gelblich, und das Zittern, das durch ihren Körper jagte, schien von mehr herzurühren als bloß von der Angst vor dem Tod. Sie wollte das Zeichen zur Abwehr des Bösen vor ihrer Brust schlagen. Dann wurde sie sich der Geste bewusst, die sie da gerade begonnen hatte, ihre Hand schwebte für einen kurzen Moment in der Luft, und schließlich ließ sie den Arm kraftlos
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