Die Kriegerin der Kelten
Scheitern verurteilt sein würde. Seine plötzliche Panik war auch der Grund gewesen, weshalb ihm eine rasche, saubere Tötung missglückt war und er dem Mann erst später den Gnadenstoß hatte versetzen können. Nun jedoch, während er gemeinsam mit Ulla im Schatten des Olivenbaumes lag, sah er die Sache in einem anderen Licht.
»Ich denke, das ist genau der Grund, weshalb sie es getan hat. Indem sie sich ganz bewusst erst zu einem Zeitpunkt zurückgezogen hat, als uns der Sieg bereits sicher war, hat sie dafür gesorgt, dass keiner für ihren Rücktritt würde büßen müssen. Und zugleich hat sie damit den Weg für ihren Nachfolger offen gehalten, sodass dieser die Heeresführung übernehmen kann, wenn der Krieg in seine entscheidende Phase geht. Valerius und ich haben jeder ungefähr gleich viele Anhänger im Heer. Deshalb glaube ich, meine Mutter weiß wirklich nicht, wen von uns beiden sie unterstützen soll. Also hat sie uns die Freiheit gelassen, unsere Eignung vor dem gesamten Heer unter Beweis zu stellen.«
»Es muss schwer sein für eine Frau, zwischen ihrem Bruder und ihrem Sohn wählen zu müssen«, gab Ulla zu bedenken.
»Und für Cygfa desgleichen. Denn sie bewundert Valerius wegen seines Krähenpferdes und wegen der einzigartigen Art, wie er und der Hengst gemeinsam kämpfen. Beide, sowohl meine Mutter als auch Cygfa, brauchen einen einleuchtenden Grund, um sich für den einen oder anderen von uns beiden zu entscheiden. Und nur wir können ihnen diese Begründung liefern.« Seit dem Sieg über die Neunte Legion hatte Cunomar stets versucht, die Sache von dieser Warte aus zu sehen. Hier und jetzt, mit der Aussicht auf einen wirklichen spektakulären Sieg vor Augen, fiel es ihm am leichtesten, sich in Gelassenheit zu üben.
In diesem Moment gelang es dem drahtigsten der drei jungen Krieger, endlich den marmornen Springbrunnen umzustoßen. Und zwar indem er diesen ein wenig zur Seite kippte und dann mit dem Fuß rasch einen Stein unter den Sockel schob, um den Brunnen in seiner wackeligen Schräglage zu halten, während er sich mit seinem gesamten Körpergewicht auf den grünen Rand des Wasserbeckens schwang - der daraufhin mit voller Wucht auf die grauen Marmorplatten krachte, die den Brunnen umgaben, sodass das ganze Gebilde schließlich in unzählige messerscharfe Scherben zersprang.
Cunomar fluchte leise und lehnte sich nach rechts hinüber zu einem schlaksigen jungen Trinovanter, der den Weg zum Tempelgarten gewusst hatte. »Sag ihnen, sie sollen sich gefälligst von den scharfkantigen Marmorbrocken fernhalten, wenn sie nicht wollen, dass sie sich die Füße aufschneiden, sollte endlich die Tür aufgehen. Gib das durch die Reihe hindurch weiter.«
Er beobachtete einen Moment lang den Informationsfluss, als seine Anweisung von Krieger zu Krieger weitergegeben wurde und ein Kopf nach dem anderen nickte, um sich dann dem jeweiligen Nachbarn oder Hintermann zuzuwenden. An Ulla gewandt sagte Cunomar schließlich gereizt: »Valerius hätte überhaupt gar nicht erst zugelassen, dass sie sich an dem Springbrunnen zu schaffen machten.«
»Mit dem Ergebnis, dass sie nichts daraus gelernt hätten, sondern bloß wütend auf ihn gewesen wären, weil er ihnen den Spaß an ihrer Wette verdorben hätte. Deine Art, mit ihnen umzugehen, ist also nicht unbedingt die schlechtere.«
Cunomars Nachricht war gerade bei den letzten der Krieger angekommen, die sich im Bereich der rasiermesserscharfen Marmorscherben aufhielten, als sich an der dunklen Eichentür plötzlich etwas tat. Man hörte, wie von innen ein Schlüssel im Schloss gedreht, mit energischem Ruck ein Riegel zurückgezogen und ein Balken beiseitegeworfen wurde, und im nächsten Moment schlug die massive Tür auch schon krachend gegen die Kopfsteine der Gartenmauer.
Cunomar blieb gerade noch Zeit genug, um »Haltet die Stellung!« zu brüllen und Ulla an seiner Schulter zu spüren, ehe das Chaos über ihn hereinbrach und ein heftiger, erbitterter Kampf entbrannte.
Die Veteranen, die durch die Tür nach draußen stürmten, waren so mager, dass ihr körperlicher Zustand an Auszehrung grenzte, sie waren unrasiert und schmutzig und ihre Gesichter und Unterarme mit rot entzündeten Brandmalen übersät. Doch ihre lederne Rüstung war geschmeidig und liebevoll gepflegt, ihre Klingen waren sorgfältig geschärft, und sie besaßen den zähen, durch nichts zu beirrenden Kampfgeist von Männern, die einander schon seit Jahrzehnten kannten und sich in einem
Weitere Kostenlose Bücher