Die Kriegerin der Kelten
Bäume, fuhr er fort: »Ich weiß von sechs Spähern, die uns in diesem Augenblick gerade beobachten, die uns gefolgt sind, seit wir das Waldland betreten haben. Und ich vermute, dass sie in Wahrheit sogar zu acht sind, bin mir da aber nicht ganz sicher.« Zwar war es keineswegs unüblich, dass Fremde, wenn sie das Gebiet anderer Stämme betraten, von deren Spähern beobachtet wurden - es erschien Breaca nur seltsam, dass dies auch in ihrem Fall so war, schließlich war sie doch keine Geringere als die Bodicea. Und dennoch hatte sie sich in Ardacos’ Obhut nicht einen einzigen Augenblick lang unbehaglich, ungeschützt gefühlt. »Aber wenn sie von deinem Eindringen wussten, warum haben sie dann zugelassen, dass du gleich drei ihrer Späher getötet hast?«
Die kleinen Lachfältchen um seine Augen gruben sich noch ein wenig tiefer. »Diejenigen, die starben, waren einfach nicht gut genug. Die Hirschkrieger, genauso wie die Krieger der Bärin, stellen ihre jungen Anhänger zuweilen auf die Probe, das heißt, sofern sich ein würdiger Gegner dazu findet. Und ich bin in ihren Augen offenbar... nun ja, zumindest kein unwürdiger Gegner. Den Tod dieser drei Menschen wird man uns also sicherlich nicht vorhalten.«
»Und dennoch haben die noch verbliebenen acht Krieger dich am Leben gelassen. Warum darfst du ihre drei jungen Gefolgsleute töten, nur weil sie dich nicht rechtzeitig gesehen haben, während man dich wiederum verschont? Seid ihr, was euer Talent als Krieger betrifft, nicht alle vom gleichen Rang, und müssten dann nicht für alle die gleichen Regeln gelten?«
Ardacos grinste. Die Freude über die gewonnene Herausforderung verwandelte ihn für einen kurzen Moment wieder in jenen jungen Burschen, der er früher einmal gewesen war. »Sie wussten ja nur, dass ich da war, aber nicht, wo genau ich mich aufhielt. Sie haben mich nur dann gesehen, wenn ich an deiner Seite marschiert bin. Und du wiederum bist die Bodicea, die nun nicht mehr nur unter dem Schutz von Briga und den Großmüttern steht, sondern über deren Wohlergehen mittlerweile auch noch zahlreiche andere Geister wachen. Du stellst deine eigenen Regeln auf. Und solltest du es trotz deines Status wider Erwarten einmal nicht schaffen, diese Regeln durchzusetzen, so übernehmen die Götter diese Aufgabe.«
»Aber woher wissen die Krieger das alles?«
Verwundert über die Dummheit, die aus dieser Frage sprach, schüttelte Ardacos den Kopf. »Breaca, das alles strahlt doch geradezu von dir aus. Man sieht dir diese Dinge einfach an, immer, auch als du krank warst, nur dass das Leuchten zu jener Zeit ein wenig schwächer war. Außerdem gibt es trotz aller Unterschiede auch zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den Stammesältesten des Gehörnten und den Ältesten der Bärin; sie sehen die Dinge im Grunde genauso, wie auch wir sie betrachten. Und wenn du dich jetzt vielleicht mal erheben möchtest, um dich jenen zuzuwenden, die sich hinter uns verstecken, dann könnten wir gleich austesten, ob ich recht habe.«
Zu Ehren des gehörnten Gottes wirbelte Graine zwischen den regenschweren Kiefern hindurch, tanzte zu den Rhythmen der Schädeltrommeln und der Flötenmusik und dem tiefen, eindringlichen Gesang, den der Gott einst den Ahnen geschenkt hatte und dessen Melodie seither nicht mehr verändert worden war.
Das Trommeln auf den Hirschschädeln war wie das Trommeln des Herzens, sein Rhythmus manchmal ruhig, manchmal gehetzt, und manchmal - dies waren die Male, wenn Graine sich innerlich von dem Sog des Tanzes distanzierte - wie der rasende Herzschlag während der Brunft, wenn die Macht des Gottes sich in den wilden, erbitterten Hirschkämpfen zeigte sowie bei der darauf folgenden Paarung, welche natürlich allein dem Sieger vorbehalten war.
Von jenen Phasen des rituellen Tanzes also einmal abgesehen, wirbelte Graine ebenso wie alle anderen durch den Rauch und den Geruch von Schweiß und durch das Gewebe aus Lärm, einfach, weil sie gar nicht anders konnte. Das Lied sang in ihrem Blut, das Dröhnen der Schädeltrommeln pulsierte durch das Mark ihrer Knochen, und die trällernden Flöten lockten ihre Seele hinfort, sodass ihr Fleisch einfach folgen musste.
Sie tanzte in einem Kreis von Cornovii. Dieser Kreis aus Tanzenden bestand sowohl aus Männern als auch aus Frauen, und sie alle waren bereits alt genug, um Kinder zu haben; deutlich prangten auf den Bäuchen sämtlicher Frauen die Streifen der Schwangerschaft. Keiner von ihnen trug Kleidung, und keiner
Weitere Kostenlose Bücher