Die Kriegerin der Kelten
geradezu ehrfürchtigen Scheu vor ihr. Selbst in der Dunkelheit hüteten sie sich, ihr gar zu lange in die Augen zu schauen, geschweige denn ihr geradewegs ins Gesicht zu starren. Was jedoch die Anzahl der Späher betraf, so hatte Ardacos sich geirrt. Es waren insgesamt neun, die die kleine Reisegruppe der Bodicea begleitet hatten, die ihr gefolgt waren, für den Fall, dass sie den Weg verlieren sollten, und die sie auf diese Weise regelrecht geführt hatten; acht von diesen waren Ardacos bereits aufgefallen, den neunten aber hatte er übersehen.
Schweigend eilten die Bodicea und ihre Begleiter an der Abbruchkante des Felsens entlang. Deutlich war Ardacos unterdessen die Beschämung darüber anzumerken, dass er diesen einen Späher nicht bemerkt hatte. Und diese Beschämung hielt auch noch an, als die nunmehr zwölfköpfige Gruppe in luftiger Höhe das große Feuer passierte, über den Köpfen der Tanzenden vorüberhuschte, vorbei an den rasselnden Trommelschlägen und den klagenden Flöten, die ihnen zuvor bereits aus dem Tal entgegengeschallt waren und sie geradezu in das Netz ihrer Rhythmen hineingelockt hatten.
Zwar kamen sie keineswegs langsam voran - die Späher bewegten sich ebenso schnell durch den dichten nächtlichen Wald wie bei Tage -, und dennoch waren die Sterne bereits ein gutes Stück über den Himmel gewandert, ehe die Läufer schließlich den Endpunkt der Kalksteinklippe erreicht hatten. Breaca hatte zwischenzeitlich schon darüber zu grübeln begonnen, ob es nicht klüger gewesen wäre, Stone oben am Klippenrand anzubinden und ihn am nächsten Tage wieder dort abzuholen. Dann aber hatten sie den Pfad auch schon erreicht und liefen hinab in das untere Tal.
Plötzlich schallte Breaca aus der Dunkelheit das fröhliche Wiehern eines Pferdes entgegen.
»Das ist Graines Stute«, rief Breaca.
In der Tat gehörte das Tier ihrer Tochter, und gleich daneben standen auch Dubornos’ mondgraues Pferd, Gunovars Zugtier und Hawks etwas stumpf dreinblickendes Reitpferd. Weiter reichte das Licht des Feuers nicht. Breaca und ihre Begleiter konnten also nur gerade genug erkennen, um sicher zu sein, dass das Gepäck von Graines Reisegruppe offenbar unberührt geblieben war und dass auch die Waffen noch immer in ihren mit Öl eingefetteten Häuten steckten und fest an den hinteren Sattelwülsten lagen.
Natürlich war auch die Waffe von Breacas Vater da; man hatte sie Hawks Pferd auf den Rücken gebunden. Jenes Schwert, das auf Eburovics Geheiß nach Mona gesandt worden war, damit es dort in Sicherheit verwahrt bliebe. Breaca spürte die Gegenwart des Schwertes so eindringlich und intensiv, als ob ihr Ururgroßvater es gerade erst geschmiedet hätte, es aus der Glut herausgehoben und es Breaca schließlich in die Hände gelegt hätte, noch immer behaftet mit dem Geruch nach seinem Schweiß und glühendem Eisen. Breaca glaubte, wieder die raue Haut ihres Vaters zu spüren, während er ihr einen Kuss auf die Wange drückte und die Hände auf ihre Schultern legte. Sogar seine Stimme hörte sie, nicht aber die Worte, die er sprach. Er war ihr Vater und auch wieder nicht, war nun ein Glied in der langen Reihe der Ahnen.
Die Klinge sang, sang nur für Breaca, und zwar mit einer Klarheit, wie Breaca sie in dem stillen Tal beim Teich der Götter noch nicht wahrgenommen hatte. Damals hatte Valerius regelrecht über Breaca gewacht, als ob sie jeden Augenblick wieder hätte zusammenbrechen können, während ihr Sohn gerade einen der römischen Wachtürme in Brand gesteckt und damit den ersten Angriff des nun tobenden Krieges gewagt hatte. Aber vielleicht hatte das Schwert auch in jener Nacht schon genauso klar seine Stimme erhoben, nur dass Breaca diese damals noch nicht verstanden hatte.
Man hatte die Pferde an einen rasch dahinfließenden kleinen Strom geführt und ihnen dort Fußfesseln angelegt. Beobachtet von den Spähern der Cornovii sprach Breaca einige beruhigende Worte zu den Tieren und wandte sich schließlich auch noch kurz an die Pferdeburschen, die bei den Tieren Wache hielten. Dann, endlich, war das Schwert wieder das ihre. Fest eingewickelt und mit heller Stimme singend lag es in Breacas Händen. Ihre Handfläche brannte plötzlich wieder genauso wie damals, als sie die Schnittverletzung durch den Schwerthieb erlitten hatte. Breaca hätte weinen können, so sehr freute sie sich über die Rückkehr dieses Gefühls, ein Gefühl, von dem sie schon gedacht hatte, dass es für sie auf immer verloren wäre.
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