Die Kriegerin der Kelten
durch die grauen Steppen zwischen Leben und Tod gewandelt, hatten noch nicht erfahren müssen, was es bedeutete, alles verloren zu haben, wofür es sich zu leben lohnte - wussten noch nicht, wie es war, aus dieser Trostlosigkeit heraus plötzlich doch wieder einen Grund zum Leben zu finden. Nur ein einziges Mal waren sie auch auf Mona in die Lage geraten, dass sie rennen mussten, dass sie kämpfen und sich verstecken mussten, während überall um sie herum, unsichtbar und doch allgegenwärtig, der Tod lauerte.
Hier dagegen ging es nicht bloß ums Laufen. Noch viel mehr war gefordert. Auf allen vieren kroch Breaca durch feuchtes Buschwerk, das sich den Eindringlingen nur widerwillig öffnete und sich dann unmittelbar hinter ihnen wieder schloss. Außerdem musste sie Bäche überqueren, und dies auf kleinen Trittsteinen, die so versteckt lagen unter tief hängenden Haselbuschzweigen und Flusserlen, dass diese Steine zumeist erst dann zu erkennen waren, wenn Breaca ohnehin bereits den Fuß darauf setzte. Dann, während ein Unwetter über sie hinwegbrauste, suchte sie kurzzeitig Schutz unter einem Weißdornbusch, rannte bald darauf aber auch schon wieder weiter.
Die Abenddämmerung hatte sich schon längst herabgesenkt, als Breaca schließlich, geleitet allein von ihrem Tastsinn, einen schmalen Pfad hinaufkraxelte. Oben auf dem Kalkfelsen angekommen, gönnte sie sich einen Moment der Ruhe, während sie sich mit der einen Hand an jener tief über dem Boden wachsenden Eberesche festklammerte, in deren Wurzelwerk sie auch ihre Füße gestemmt hatte, und mit der anderen Stones Nackenfell gepackt hielt. Für einen Moment ließ Breaca die Gedanken schweifen, dachte darüber nach, dass sie zwar nicht mehr so gut in Form war wie in ihrer Jugend auf Mona, dass ihre Ausdauer in jedem Fall aber auch nicht schlechter war als zu der Zeit unmittelbar vor der Auspeitschung durch den Prokurator. Im Gegenteil, wahrscheinlich war ihr Körper sogar noch ein wenig gestählter.
Kurz darauf entdeckte sie die Feuer, die in dem bewaldeten Tal rechts zu ihren Füßen loderten.
»Warte hier«, wies Ardacos Breaca an und legte dabei leicht eine Hand auf ihren Arm. Breaca verharrte auf ihrem Platz und sah dem Krieger zu, wie er mit geschmeidigen Bewegungen und ohne Gefährten in der Dunkelheit verschwand.
Doch auch Cygfa blieb nicht einfach tatenlos sitzen. Auch sie eilte zwischen den Büschen hindurch davon, kehrte aber bald darauf und wie ein geisterhafter Schatten wieder zurück. Allein ihr Haar war noch zu erkennen, ebenso wie das silbrige Weiß ihrer Augäpfel. »Da unten im Tal ist Graine.«
»Und die anderen?«
»Die sind auch alle da und außerdem mehr als einhundert Cornovii. Und sie alle tanzen in einem Kreis, in dessen Mitte Hawk steht. Er trägt den Schädel und das Geweih eines Hirsches. Außerdem ist da noch eine Frau bei ihm. Ich denke, das könnte Gunovar sein.«
Irgendwo rechts neben ihnen ertönte Ardacos’ Stimme:
»Es ist Gunovar.« Damit bahnte er sich auch schon einen Weg durch die Zweige, die ihn sogleich mit altem Regen benetzten, und hockte sich schließlich so dicht neben Breaca, dass diese selbst in dem trüben Dämmerlicht noch den Ausdruck auf seinem Gesicht zu lesen vermochte. Ardacos liebte Gunovar mindestens ebenso sehr, wie er einst Breaca geliebt hatte, und die Bürde dieser Liebe zeichnete ihm nun noch einige zusätzliche Furchen in die Züge.
»Wenn wir jetzt versuchen, rund einhundert Cornovii anzugreifen«, erklärte Breaca, »dann werden wir sterben, und die anderen werden womöglich ebenfalls getötet. Um zu überleben, müssen wir also erst einmal mit heiler Haut die Stammesältesten erreichen. Angenommen, wir marschieren jetzt ohne jede Deckung geradewegs auf ihren Festplatz zu - meinst du, ihre Späher würden uns töten und erst dann begreifen, wer wir eigentlich sind?«
»Das wissen sie doch schon längst.« Ardacos schaute auf seine Hände hinab. Aufmerksam betrachtete Breaca im Zwielicht die geradezu beschämte Haltung seines Kopfes.
»Allein der Tatsache, dass du die Bodicea bist, ist es zu verdanken, dass wir überhaupt bis hierher gekommen sind. Hätten die Späher nicht den Befehl gehabt, uns zu ihren Stammesältesten zu führen, hätten sie uns schon längst aus diesem Leben entlassen.« Dieses Eingeständnis schmerzte Ardacos sehr, denn früher einmal war er der beste Späher gewesen, der je gelebt hatte. Mit erhobener Stimme, sodass seine Worte hinaufreichten bis in die seufzenden
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