Die Kriegerin der Kelten
Klinge mit einem Rotwildhuf als Heft. Breaca dankte den Pfadbereitern und sandte sie dann wieder zu Venutios.
Kurze Zeit später ließ Ardacos sein Pferd bewusst mitten auf freiem Feld stehen, sodass andere es finden konnten, und eilte zu Fuß weiter, huschte im Zickzack über die sanft gewellte Heide und schließlich in das lichte Gestrüpp des Waldes hinein. Dabei hinterließ er einige Wegmarkierungen, die jedoch so unauffällig waren, dass nur Cygfa sie finden konnte. Vertrauensvoll folgte die Bodicea der Führung ihrer älteren Tochter, egal, wie sicher oder gefährlich diese Reise nun auch sein mochte, denn Breaca konnte an ihrer momentanen Situation ohnehin nichts ändern, konnte noch nicht einmal das Tempo, mit dem sie vorankamen, beschleunigen. Wundersamerweise aber fühlte sie sich während dieses Ritts endlich einmal wieder vollkommen frei von jeglicher Verantwortung - ein Gefühl, das sie nicht mehr erlebt hatte, seit sie von Mona aus in das Land der Eceni und damit zurück in ihre alte Heimat gereist war.
Natürlich war das Gefühl der Freiheit in letzter Konsequenz nur eine Illusion, doch Breaca nahm dieses Geschenk dankbar entgegen und entschied sich ganz bewusst dafür, nicht allzu genau darüber nachzudenken, welchem Schicksal sie wohl entgegenreiten mochten. Rigoros verbannte sie die Grübeleien über das fehlgeschlagene Vorhaben, das sie überhaupt erst zu dieser Reise getrieben hatte, aus ihrem Kopf; verbot sich, wieder an die Frage zu denken, die Venutios ihr als unerwartetes und genau genommen auch unerwünschtes Geschenk unterbreitet hatte.
Mit Cygfa vor sich und mit Stone hinter sich ritt Breaca in zügigem Tempo über schmale Pfade und zuweilen auch flaches, weites Land, wobei sie stets in Richtung Südsüdwesten strebten.
Gegen Abend, bei absolut klarem Himmel und im Angesicht einer riesigen roten Sonne, die tief am Horizont stand, entdeckten sie Ardacos wieder; zum ersten Mal, seit dieser sich ohne Pferd auf den weiteren Weg gemacht hatte. Er hockte auf einer umgestürzten Birke und aß die Blüten von Holunder und Wiesenkerbel, sodass seine Lippen gelb bestäubt waren und seine Oberschenkel, an den Stellen, wo er sich die Finger abgewischt hatte, gelbe Streifen aufwiesen. Augenscheinlich hatte er sich, während er auf Breaca und Cygfa wartete, die Zeit genommen, sein Haar zu flechten und mit den von ihm gesammelten Bäreneckzähnen zu schmücken, ganz so, wie es als Krieger der Bärengöttin auch sein gutes Recht war. Sein Gesicht war mit weißer Kalkfarbe bemalt, und aus seinen Augen war der gehetzte Ausdruck gewichen. An seinem Gürtel baumelten zudem drei neue, mit Heften aus Hirschhorn versehene Messer.
»Du hast die Bärin ausfindig gemacht«, stellte Breaca fest.
»Das habe ich. Und sie ist zufrieden.« Ardacos’ Augen waren so voller Leben, wie Breaca es schon seit Jahren nicht mehr bei ihm beobachtet hatte. Auch er schien geradezu in dem Geschenk zu schwelgen, nun einmal einen Tag der Freiheit erleben zu dürfen, ganz gleich, was am Ende dieses kurzen Lebensgenusses auch auf sie warten mochte. Ardacos schaute Breaca in die Augen, hielt ihrem Blick stand und sprach, ohne seine Stimme zu benutzen, jene Worte, nach denen es sie schon so lange gedürstet hatte.
Schließlich brach er ihr stummes Zwiegespräch wieder ab und deutete mit einem knappen Nicken über seine Schulter hinweg auf den Wald hinter ihnen, in dem das Unterholz bis auf Brusthöhe hinaufwuchs und der damit unpassierbar erschien. »Von nun an müssen wir auch eure Pferde zurücklassen.« Forschend musterte er Breaca von Kopf bis Fuß. »Bist du schon wieder kräftig genug für einen zügigen Lauf?«
Dies war eine jener Herausforderungen, wie sie sie einander zuweilen auf Mona gestellt hatten, damals, als ihnen die Welt noch jung schien. Breaca zuckte scheinbar gelangweilt mit einer Schulter und entgegnete: »Keine Ahnung. Wollen wir es herausfinden?«
Wie sich herausstellte, konnte Breaca durchaus noch laufen, springen und rennen. Dies war gut zu wissen und verlieh ihr sogar einen regelrechten Energieschub - bis das Laufen schließlich in jene Phase überging, in der es nur noch schlichte, harte Arbeit war.
Zumal diese Herausforderung letztendlich eben doch deutlich schwieriger zu bewältigen war als die kleinen Wettkämpfe, in denen Ardacos und Breaca sich früher auf Mona miteinander gemessen hatten. Damals hatten sie noch nicht unter den Wunden ihrer Auspeitschung zu leiden gehabt, waren noch nicht
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