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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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unauslotbarer Tiefe, das weniger die Körper als vielmehr die Seelen der Menschen in sein leeres Herz hineinsaugte und sie dort zermahlte.
    Es war weniger als zwei Tage her, dass Bellos endlich einen Weg über die Meerenge gefunden hatte. Eine kurze Bemerkung, die mac Calma früher einmal gemacht hatte, lieferte ihm den entscheidenden Hinweis, wie er die Kluft überbrücken könnte. Vergiss nie, dass sowohl diese Welt als auch die anderen Welten bloß eine Illusion sind. Und selbst wir, die wir hinüberblicken können in diese anderen Welten, sehen nur, was wir sehen wollen, und allein unser Blick lässt die Dinge ihre vermeintlich reale Gestalt annehmen.
    Schließlich, da Bellos die tiefere Bedeutung hinter diesen Worten verstanden hatte, konnte er die Kluft, die die Meerenge zwischen Insel und Festland in seinem Kopf darstellte, zumindest zum Teil als das Produkt seiner eigenen Fantasie betrachten. Neun ganze Tage lang hatte er sich also nur darauf konzentriert, diese vage Sicherheit im Umgang mit der Kluft in seinem Geist zur felsenfesten Gewissheit reifen zu lassen. Dann, endlich, wusste er, dass die Kluft lediglich ein Trugbild seiner verängstigten Seele war.
    Es war an jenem klaren und kalten Frühlingsmorgen, als im Land der Eceni die Wildgänse den Tod eines römischen Melders beklagten, dass Bellos wieder einmal im Großen Versammlungshaus auf seine innere Stimme lauschte. Zwischen den fernen Gebieten der Eceni und ihm lag eine Strecke, für die man selbst zu Pferde mindestens einen halben Monat brauchte. Mutig wanderte Bellos durch jene wundersame Welt, die nur allein er sehen konnte, und schritt über die Meerenge, die Kluft der Götter, als bestände diese nicht aus reißendem Wasser, sondern wäre ganz aus festem Stein. Und dann, zum ersten Mal in seinem Leben, schaffte er es, seine Intuition bis auf das Festland von Britannien zu erstrecken.
    Eine stille Befriedigung überkam ihn, als er die Klippen und den Seetang an den fernen Ufern sah. Leider aber verblasste dieser Ausblick sofort wieder, dauerte kaum so lange wie ein Herzschlag. Und selbst als Bellos ganz bewusst noch einmal einen Moment innehielt und versuchte, sich an diesem unbekannten Ufer ein wenig umzuschauen, schien es, als ob bereits eine Mauer aus undurchdringlichem Nebel sich um ihn schlösse. Der Nebel war ein Produkt der Legionare, war die Folge von zu viel Wein, von quälender Erschöpfung und von wüsten Träumen, die die Männer bis in die dunkelsten Tiefen ihres Unterbewusstseins verbannt hatten.
    Mit den Monaten und Jahren, die seit seiner Erblindung vergangen waren, hatte Bellos sich daran gewöhnt, zwar nicht die reale Welt, dafür aber vielerlei andere, den Menschen sonst nicht sichtbare Facetten der Wirklichkeit sehen zu können.
    Nun stand er scheinbar an den Ufern des gegenüberliegenden Festlandes, und abermals schloss sich eine Mauer des Nichtsehenkönnens um ihn. Als ob er ein zweites Mal mit Blindheit geschlagen worden wäre, stolperte er in seiner Vorstellung über Felsbrocken, streckte die Arme schützend nach vorn und fühlte sich wieder an die grausamen Tage seiner Kindheit erinnert. Jene Tage, als man ihn in der Hafentaverne in Gallien zur Prostitution gezwungen hatte - bis Manannan, der Herr der Meere, seinen kalten, undurchdringlichen Seenebel in die kleine Stadt sandte und plötzlich alle wie geblendet waren von seinem weißen Dunst.
    Zwar war Bellos nicht mehr der kleine Junge in Gallien, sondern in seiner Vorstellung stand er am Strand von Britannien, und dennoch schoss jäh die Angst durch seinen Körper, und er geriet in Panik. Er wurde unvorsichtig. Er spürte, wie er stürzte, wie er nach vorn fiel, ganz so, als ob sein Traumkörper, mit dem er über den Strand von Britannien wanderte, von echtem Fleisch und Blut wäre und sogar ein gewisses Gewicht besäße, ein Körper, der an den scharfkantigen Klippen des Ufers leicht in Stücke zerrissen werden könnte. Dann aber ertönte mac Calmas Stimme und gab Bellos Halt: Vergiss nie, dass sowohl diese Welt als auch die anderen Welten bloß eine Illusion sind ...
    Eine Illusion. Nichts weiter. Bellos atmete tief ein, ließ die Felsen in seiner Vorstellung etwas weniger scharf aussehen und beschenkte sich selbst mit jenem fast schon traumwandlerisch sicheren Gleichgewichtssinn, wie Valerius ihn oftmals während seiner akrobatisch anmutenden Kampfhandlungen gezeigt hatte. Während er nun schon ein wenig fester auf seinen imaginären Beinen stand, verdrängte er

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