Die Kriegerin der Kelten
ungehindert vor sich gehen konnte. Die Evakuierung der Zuchtherden des Pferdebestandes, von Träumern, Kindern und Vieh und allem, was heilig war und irgendwie von der Stelle bewegt werden konnte.
Das Große Versammlungshaus allerdings ließ sich nicht verrücken. Die Ahnen hatten es gebaut, um sowohl Wind und Stürmen als auch den Mächten der Träumer standzuhalten, und sowohl die breiten Balken, die seine Mauern stützten, als auch die Soden auf dem Dach waren schon alt gewesen, als die Götter noch jung waren. Das Versammlungshaus war ebenso sehr zu einem Teil von Mona geworden, wie es die Klippen am Strand und die Wälder im Landesinneren waren. All dies konnte man nicht mehr entwurzeln und per Schiff in westlicher Richtung nach Hibernia transportieren, ganz gleich, wie willkommen diese Wahrzeichen Monas auch gewesen wären.
Mit seiner langen Ahnenreihe von Träumern, die in diesem Haus gelebt hatten, und mit den Schnitzarbeiten entlang der Dachbalken, die den Traum eines jeden Mitglieds des Ältestenrats zeigten, und dies über Generationen hinweg, war das Große Versammlungshaus von Mona zum größten all jener Opfer geworden, die mac Calma der Erreichung seines Ziels unterordnete. Vor allem aber schien das Rundhaus der ideale Köder, um den römischen Gouverneur dazu zu verlocken, die Insel zu attackieren und damit seine Streitmächte in eine Schlacht zu schicken, die sie einfach nicht gewinnen konnten, denn der Feind, den sie schlagen wollten, hätte das Schlachtfeld längst verlassen.
Und mac Calmas Plan ging durchaus auf. Selbst wenn man die Opfer betrachtete, die ein jeder dafür bringen musste. Zutiefst entsetzt, doch auch voller Bewunderung hatte Bellos mit allen seinen Sinnen beobachtet, wie ein prinzipiell friedlich gesonnener römischer Gouverneur niedergemetzelt wurde und dessen Nachfolger, ein Mann, den man allein aufgrund seiner Fähigkeiten als General ausgewählt hatte, in einen zunehmend brutaleren und blutrünstigeren Krieg gegen die Silurer und die Ordovizer verwickelt worden war. Denn genau diese beiden Stämme waren es, die es über die gesamten zwanzig Jahre der Invasion hinweg stets geschafft hatten, den Westen noch immer in der Hand der Eingeborenen zu halten und ihn nicht an Rom zu verlieren. Unter mac Calmas Führung hatten sie dann schließlich nach und nach und augenscheinlich widerwillig dennoch den Rückzug angetreten und auf diese Weise die Legionen, als der Sommer in den Herbst überging und die Kampfsaison endete, langsam und Stück für Stück in Richtung Westen gelockt.
Der römische Gouverneur, der glaubte, der Sieg sei somit in greifbare Nähe gerückt, hatte kaum den Frühling abgewartet, ehe er mit seinen Truppen abermals aufgebrochen und unaufhaltsam voranmarschiert war, bis er schließlich mit zwei kompletten Legionen und acht Kavallerieflügeln in jenen Tälern dicht an der Westküste von Britannien kampierte, von denen aus es nur noch einen halben Tagesritt bis hinab zu jener Meerenge mit ihren gefährlichen Strömungen war, die die Insel Mona bewachte.
Solch eine riesige Armee, und das alles nur, um eine Insel einzunehmen und zu unterwerfen, die so klein war, dass ein Krieger auf einem wohltrainierten Pferd sie binnen eines Tages umrunden konnte.
Im Übrigen hatten die Legionen trotz ihrer Stärke Angst vor Mona und den Frauen und Männern, die dort unter dem Schutz der Götter lebten. Und allen auf Mona war diese Angst bewusst, ganz gleich, welche Form ihre Visionen auch haben mochten und welche Art des Träumens sie praktizierten. Nun ging es also bloß noch darum, in Erfahrung zu bringen, von welcher Gestalt die Ängste der Legionare waren, wie groß sie waren und was für ein Wesen sie besaßen. Nichts anderes war Bellos’ Ziel, wenn er neben dem erloschenen Feuer ausharrte und sich bemühte, sein Bewusstsein über die Grenzen seines Körpers hinaus auszudehnen, ganz so, wie man es ihn gelehrt hatte.
Mit zunehmender Übung fiel ihm diese Aufgabe immer leichter. Der schwerste Teil war immer der, wenn er im Geiste die schmale Wasserfläche zu überqueren hatte, die das Festland von der Insel trennte. In der Welt der Gesunden und mit ihren Augen Sehenden strömten die Wasser der Götter an jener Stelle grau und wild und galten als unberechenbar. Ständig veränderte sich die Lage ihrer Sandbänke, und verborgene Strudel zogen all jene, die Mona zu erobern versuchten, gierig hinab in die Tiefe. In der Welt von Bellos aber war das Meer eine Kluft von
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