Die Kriegerin der Kelten
erkannt zu haben. Er schien sogar regelrecht nach ihm zu tasten, ganz so, als ob sie beide, Bellos und der Unbekannte, mehr gemeinsam hätten, als ihnen beiden bewusst war.
Plötzlich geriet Bellos ins Wanken, Überraschung und Furcht schienen ihm jäh den Boden unter den Füßen zu entziehen. Warnend breitete sich eine Woge der Kälte in seiner Brust aus. Irgendjemand hatte gerade das Große Versammlungshaus betreten, Bellos war nicht mehr allein.
Während er sich fest an die Gedankenstränge klammerte, die er gewoben hatte, wählte Bellos den leichtesten und raschesten Rückweg in die Welt seines Herzens, zurück in sein ganz normales, alltägliches Leben. Er öffnete die Augen, blickte in die ihn umschließende Dunkelheit und spürte, wie ein gerade erst entzündetes Feuer die Luft aufwirbeln ließ.
»Luain mac Calma.« Einige Menschen erkannte Bellos allein schon an der Art, wie sich die Atmosphäre um ihre Person zu schmiegen schien. »Ich dachte, du wärst auf Hibernia, um den Bau des neuen Versammlungshauses zu beaufsichtigen. Das Haus, in dem sich die Evakuierten einrichten sollen.«
Reglos saß Bellos’ Lehrer neben der Feuerstelle, und von dem Boden zwischen seinen Füßen stieg der Geruch frischen Rauchs auf. »Ja, dort war ich auch«, entgegnete mac Calma. »Das Rundhaus ist fertig, oder zumindest fast. Meine Anwesenheit dort ist nicht mehr unbedingt erforderlich, du brauchst mich jetzt dringender.«
»Glaubst du wirklich, dass ich auf dich angewiesen wäre?« Bellos fühlte, wie er sich unwillkürlich versteifte. »Habe ich mich etwa in Gefahr begeben, ohne es zu merken? Oder habe ich irgendeine der Aufgaben, die du mir gestellt hattest, doch nicht zu deiner Zufriedenheit bewältigt?«
»Das kann ich nicht beurteilen. Sag du es mir.« Eindringlich wurde Bellos bewusst, wie geschickt mac Calma es verstand, sein Wesen vor den Menschen um ihn herum zu verbergen. Er war der Einzige von sämtlichen Kriegern und Träumern, die Bellos während seiner Übungsstunden auf dem rein mentalen Wege aufgesucht hatte, der es verstand, die anderen nur das von sich erkennen zu lassen, was er auch wirklich zeigen wollte. Nun, in diesem Moment, entdeckte Bellos eine feine Spur von Belustigung in mac Calmas Aura, er sah den schelmischen Geist des Reihers und beobachtete schließlich voller Verwunderung, wie Belustigung und Schalk zu einem sanfteren, weicheren Etwas zu verschmelzen schienen.
»Es tut mir leid. Das war nicht ganz aufrichtig von mir. Es war sogar schlichtweg gelogen. Nicht deine Wanderungen durch die Welt der Visionen sind der Anlass, weshalb ich hier bin. Eine ganz andere Aufgabe ist der Grund.« Damit erhob Luain mac Calma sich und trat von der Feuerstelle zurück. Er klang wie Valerius, schien seinem Sohn zumindest stimmlich noch ähnlicher als sonst. »Die ganzen zwanzig Jahre seit dem Einfall der Legionen habe ich nun schon beobachtet, wie die Stämme trotz meiner Anstrengungen und der verzweifelten Gegenwehr der anderen immer tiefer in die Knechtschaft getrieben worden sind. Und die Chance, die wir nun haben, um uns aus diesem traurigen Dasein wieder befreien zu können, ist vielleicht nicht unsere letzte Chance, aber es ist mit Sicherheit die beste, die sich uns je geboten hat. Sollten wir es also tatsächlich schaffen, Suetonius Paulinus und seine beiden Legionen komplett auf unsere Insel zu locken und sie hier zu vernichten, besteht die berechtigte Hoffnung, dass auch Breaca und Valerius Erfolg haben könnten mit ihrem Vorhaben im Osten. Vielleicht würde es sogar schon reichen, wenn wir die beiden Legionen einfach nur empfindlich schwächen könnten... Denn wenn Valerius und Breaca Camulodunum einnehmen und dort unseren Gott zurück auf seinen Thron befördern, dann, vielleicht, werden wir endlich beenden können, was wir schon vor so langer Zeit begonnen haben. Wir werden erwachen in einem Land, das frei ist von der Plage Roms... vielleicht. In jedem Fall liegt der Beginn dieser ganzen Entwicklung hier und jetzt auf Mona.«
Abermals nistete sich jene plötzliche, unbehagliche Kälte in Bellos’ Brust ein. »Trotzdem hast du mir noch nicht meine Frage beantwortet«, entgegnete er. »Habe ich meinen Teil in dieser Angelegenheit etwa nicht vernünftig ausgeführt?«
»Aber ganz im Gegenteil. Allein ich bin es, der womöglich gerade versagt. Ich habe es riskiert, Mona und sämtliche Kostbarkeiten auf dieser Insel aufs Spiel zu setzen. Rund einhundert Generationen von Mitgliedern des ständigen
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