Die Krone von Camelot
Augen. So groß war unser Reich gewesen, so viel hatte es bedeutet, und jetzt war es zu diesem Unglück gekommen. Ich hatte den Drang, zu weinen, aber in mir waren keine Tränen, nur ein riesiger, leerer Schmerz um alles, was war. Und um mich war nur Schweigen und draußen der Wind.
Ungefähr in der Stunde der Dämmerung blickte ich auf und sah, daß Gawains Augen offen waren und er mich beobachtete.
»Gawain«, sagte ich und hielt den Atem an. Ich wollte schon seine Hand berühren, aber dann fielen mir seine letzten Worte an mich wieder ein, und ich zog meine Finger zurück. Ohne Zweifel war ich der Mensch, den er am wenigsten gern zu sehen wünschte -aber vielleicht auch nicht, und es gab ja noch die Nachricht. »Kannst du mich verstehen?«
Seine Lippen formten tonlos das Wort »Ja«. Rhys stand auf und kam eilig herüber. Gawains Blick fixierte sich auf ihn, und er lächelte ganz schwach. »Rhys«, sagte er im allerleisesten Flüsterton, »es ist also wahr?«
»Mein Herr? He, mein Herr, wir sind in Ynys Witrin. Das ist wahr.«
»Und sie. war sie vorher schon hier? Ich habe ja vorher mit ihr geredet.«
»Ach, die Kaiserin! Ja, sie ist wirklich hier. Auf der Straße hast du geträumt, mein Herr, aber jetzt ist sie da.«
Er schloß die Augen, öffnete sie dann wieder und schaute mich an. »My Lady«, sagte er noch immer in diesem fast unhörbaren Flüsterton, »aber natürlich bist du da. Natürlich. Medraut hat dich nicht.«
»Er hat mir nichts getan.«
»Gut.« Sein Blick heftete sich wieder auf Rhys. »Diesmal sterbe ich wirklich, Vetter.«
Der Diener sagte einen Augenblick lang nichts. Dann senkte er den Blick und murmelte: »Die Chirurgen sagen es.«
Wieder das leichte Lächeln. »Es ist wahr. Haben sie mir die Beine abgeschnitten? Nein? Ich spüre nichts. Ich hatte nicht gedacht. daß ich so sterben würde. Rhys, wo ist mein Pferd?«
»In Sanddes Ställen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten sich gut um ihn kümmern, oder sie müßten sich vor ihm in acht nehmen.«
»Gut«, das Lächeln kam wieder, langsam und schmerzhaft. »Danke dir. Du mußt ihn freilassen. Niemand darf ihn mehr reiten, wenn ich tot bin. Laß ihn sehen. daß ich tot bin. Dann laß ihn frei.«
»Gut, Herr.«
»Und mein Schwert. befestige das an seinem Sattel. Laß sie zusammen gehen. Ich will sie zurückgeben.«
Rhys schluckte ein paarmal und nickte dann.
Gawain schaute wieder mich an. »Ich. bin. froh, daß du da bist, my Lady. Ich sollte. nein, das muß ich später sagen. Artus hat mir eine Nachricht für Sandde mitgegeben. Sie ist wichtig.«
Ich nickte und nahm das Schreibtäfelchen auf. Gawain lächelte noch einmal.
Er hatte gerade angefangen, mir die Truppenbewegungen zu erklären, die Artus plante, als der Chirurg aufwachte und herüberkam. Er fühlte dem Krieger den Puls und schüttelte den Kopf. Gawain bat ihn höflich darum, zu gehen. »Wenn du auch ein Arzt bist, so muß ich doch die Geheimnisse meines Herrn aussprechen, und du solltest sie nicht hören.«
»Nun gut«, sagte der Chirurg. »Es gibt sowieso nichts mehr, was die Chirurgie für dich tun könnte. Dennoch - ich bin auch ein Mönch, ein Gottesmann. Du würdest gut daran tun, deine Sünden zu beichten und das Sakrament zu empfangen.«
»Später, wenn mir noch Zeit bleibt«, sagte Gawain.
Der Mönch warf uns allen einen Blick des giftigen Widerwillens zu. »Du würdest besser daran tun, mit einer geheiligten, von Sünden gereinigten Seele vor Gott zu treten, und nicht gebunden an weltliche Dinge und die Geheimpolitik von Königen.«
»Ich würde nicht zu meinem Gott gehen und Verpflichtungen unerledigt hinter mir lassen, und das auch noch durch Selbstsüchtigkeit«, erwiderte Gawain. »Ich bitte dich, geh. Wenn noch Zeit ist, wenn ich frei von dem bin, was mich jetzt noch bindet, dann soll man dich rufen.«
Der Mönch schnaufte und stelzte hinaus. Gawain fuhr mühsam, aber mit sorgfältiger Gleichmäßigkeit mit Artus’ Botschaft fort.
Nach kurzer Zeit hielt er zum vierten- oder fünftenmal inne und schloß die Augen. Er schien kaum noch zu atmen, und ich dachte: »Jetzt ist es soweit«, und das Herz pochte mir in der Kehle. Aber er öffnete die Augen wieder und schaute mich an.
»Das ist alles«, sagte er. »Das ist das letzte, was ich in Artus’ Dienst tun werde. Du mußt. du mußt ihm meinen Gruß bringen, und meinen Dank. Du mußt sagen. sagen, daß ich in der Wahl meines Herrn nichts bedauere, außer daß ich ihm nicht besser gedient habe. So.
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