Die Krone von Camelot
konnte es mir nicht sagen. Er sagte nur, mein Herr würde in ein paar Stunden sterben.«
»Da«, sagte ich. »Such mir ein paar Wachstäfelchen, und ich warte dann hier und schreibe die Informationen nieder, wenn Gawain aufwacht.« Ich ging hinüber zur Tür des anderen Zimmers und trat wieder in das Fackellicht hinein. Nach einem Augenblick folgte mir
Rhys, danach auch Sandde.
Der Chirurg saß auf einer Strohmatratze in der Ecke und zog sich die Schuhe aus. Mit einem Ausdruck des Ärgers blickte er zu uns auf, aber dann erhob er sich und verbeugte sich vor Sandde.
Sandde ging hinüber zum Bett und schaute Gawain an, dann den Arzt. »Gibt es nichts, was du tun könntest?« fragte er. »Wird er vor dem Ende aufwachen?«
Der Arzt zuckte die Achseln. »Möglicherweise. Das hängt davon ab, wie schnell das Ende kommt. Aber es wird bald sein, wenn hier Unruhe herrscht und er gestört wird.«
»Ich will hierbleiben, aber ich verhalte mich ruhig«, sagte ich und schaute mich nach einem Hocker um. Ich rückte ihn ans Bett und setzte mich.
»Wie es dir gefällt, edle Dame«, sagte der Chirurg. »Wenn dein Wohlwollen nichts dagegen hat, möchte ich jetzt schlafen.« Seine Stimme klang bitter. Schon lange hegte er offenbar die Feindseligkeit gegen Artus, die im Kloster üblich war, und ohne Zweifel fand er das Bündnis mit Sandde unangenehm.
»Schlaf, so lange du kannst«, sagte ich ihm. Er verbeugte sich noch einmal, löschte eine der Fackeln und legte sich dann auf seine Matratze nieder. Er zog die Wolldecke über sich und wandte uns den Rücken zu.
»Ich lasse dir von jemandem Schreibmaterial bringen«, flüsterte Sandde mir zu. »Und ich danke dir, my Lady. Ich bete zu Gott, daß er aufwacht!« Er ging und nahm eine weitere Fackel mit, um sich den Weg zu Halle zu erleuchten.
Rhys setzte sich am Fuß des Bettes auf den Boden, lehnte sich an den Bettpfosten und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
»Es tut mir leid«, sagte ich und wußte nicht ganz, was ich eigentlich damit meinte. »Rhys, du hast eine lange Reise hinter dir, und du mußt sehr müde sein. Ruh dich aus - ich wecke dich, wenn irgend etwas passiert.«
Rhys schüttelte den Kopf. »Ich danke dir, my Lady. Aber ich möchte warten.«
Wir warteten, und das Schweigen war so tief, daß wir jedes Flackern der einzigen Fackel hören konnten, die noch da war. Wir hörten das leise Geräusch der Asche, die auf den Fußboden fiel, das Atmen jedes Menschen im Zimmer und den lauten Wind draußen vor dem Haus. Ein Diener kam mit den Wachstäfelchen, einem Stylus und Pergament, Tinte und Federn; dann ging er wieder.
Ich stützte den Kopf in die Hände und schaute Gawain an. Ich hatte zum erstenmal bemerkt, wie hager sein Gesicht geworden war
- verzerrt von Kummer und Krankheit. Aber jetzt im Fackellicht sah er erschreckend jung aus, fast wie damals, als ich ihn zum erstenmal gesehen hatte, als er verwundet im Haus meines Vaters lag. Immer hatte er ausgesehen, als ob etwas Größeres als die Welt ihn erfüllte. Jetzt wirkte er, als ob er damit verschmölze, im Schwebezustand zwischen der Erde und der Anderwelt. Das rote Fackellicht auf seiner schweißfeuchten Haut gab ihm ein glühendes Aussehen, wie Metall im Feuer, als ob die Knochen darunter sich zu einer anderen Form verschmolzen. Ich berührte leicht seine Stirn, aber sie war nicht heiß. Meine Hand streifte den Verband, und er rutschte beiseite, denn er war nur um den Kopf gewickelt und nicht befestigt. Ich zog ihn eilig wieder zurück - sein Kopf hatte von Bedwyrs Schwert eine Delle bekommen, der Knochen leuchtete sehr weiß in einem Durcheinander von rot und schwarz verbranntem Fleisch, das jetzt durch den Sturz vom Pferd und die Untersuchung durch den Chirurgen zerquetscht und zermahlen war zum formlosen Grau des Gehirns.
Ich verkrampfte meine Hände ineinander, damit sie still blieben, und dachte an Gawain, wie er in der Vergangenheit gewesen war. Ich dachte daran, wie er seinen Hengst über das Übungsfeld in Camlann ritt, wie er mit der Geschwindigkeit eines Falken sich auf den Ring senkte, der auf dem Boden lag. Dann dachte ich an Gwyn, wie er das gleiche versucht hatte, und daran, wie ich den Jungen zum allerletztenmal erlebt hatte. Er hatte auf den Knien gelegen, auf der Straße nach Caer Ceri, und er hatte verwirrt an Bedwyrs Speer gezerrt. Und ich dachte an Bedwyr, der in Macsens Ställen stand und mir Lebewohl sagte - an sein ruhiges Gesicht und an die völlige öde Verzweiflung in seinen
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