Die Krone von Camelot
Steine. »Vielleicht klagt er meinen Herrn Artus der Wahrheit an.«
»Es wird trotzdem Zeit brauchen, bis man die Wahrheit akzeptiert«, erwiderte ich nach einer Pause. »Und wenn wir Erfolg haben, dann wird Medraut diese Zeit nicht haben.«
Gawain schwieg eine Weile und ging mit gesenktem Kopf. Er starrte die Gräser an. Schließlich nickte er. »Nun gut«, sagte er mit müder Stimme. »Da du glaubst, daß es wahrscheinlich nützen würde
- und es ist sehr wahrscheinlich, daß mich danach niemand mehr herausfordern wird.« Er lächelte wie zur Entschuldigung.
»Ich danke dir.« Ich nahm seine Hand und preßte sie. »Und du brauchst auch gegen niemanden zu kämpfen. Ich stimme dir zu, daß es am allerschlimmsten wäre, wenn du ein Mitglied von Medrauts Gruppe töten würdest.«
Er lächelte wieder und neigte den Kopf. Ich hatte gewußt, daß er tun würde, um was ich ihn bat, und ich hatte auch gewußt, daß er es widerwillig tun würde. Ich war diejenige, die mit ihm geredet hatte, und nicht Artus, denn Artus hätte er sofort gehorcht. Mir allerdings erlaubte er, ihn zum Gehorchen zu überreden. So war es für ihn leichter. Aber ich verlangte auch Schwieriges von ihm. Er wußte, daß er trotz meiner beruhigenden Worte vielleicht doch einen Zweikampf ausfechten mußte, und er konnte nur hoffen, daß er nicht gezwungen sein würde zu töten. Ich wußte, wie bitter ihm der Gedanke sein mußte, das Schwert gegen ein Mitglied der >Familie< zu ziehen. Ich schaute sein müdes Gesicht an und wünschte, ich hätte das nicht von ihm verlangen müssen. Aber das ist eine weitere der bitteren Regeln der Macht: Diejenigen, die freigebig sind, müssen gebeten werden, immer und immer wieder zu geben, bis sie nichts mehr übrig haben, während Geizkragen, die jeden Tropfen ihres Reichtums und ihrer Kraft horten, reich und in Frieden bis zu ihrem Tod leben. Vielleicht wird Gott allen Gerechtigkeit widerfahren lassen, aber auf der Erde finden sie keine.
Wir kamen jetzt zu einer der Treppen, die an der Innenseite der Mauer lagen, und stiegen auf die Zinnen hinauf. Die Mauern waren jetzt in Friedenszeiten nicht bewacht, und die Zinnen erstreckten sich leer zu beiden Seiten in einer Kurve um den Hügel. Wir drehten uns um und schauten zurück nach Camlann, das sich lebendig und stark aus dem Rauch der Morgenfeuer erhob.
Ich warf einen Seitenblick auf meinen Begleiter. Es war hart, daß man Cei vom Streit zurückhalten mußte, wo er diese Zwistigkeiten doch so leicht nahm, und daß Gawain ermutigt werden mußte, sich ihnen zu stellen. Aber es würde nichts nützen, daß Cei stritt, während Gawain es vielleicht schaffte, die Situation zu lösen... Er sah aus wie sein Bruder Medraut, der Grund seines Kummers. Man sagte, er sähe seiner Mutter Morgas sogar noch ähnlicher, dieser nachweislichen Zauberin. Blut ist etwas Seltsames. Es kann so mit sich selbst im Streit liegen. Ich dachte an meinen Vetter Menw und schob den Gedanken schnell beiseite. »Gawain«, sagte ich, denn an einem hellen Morgen wie heute konnte ich von solchen Dingen reden, »deine Mutter - war sie schön?«
Die Frage schien ihn nicht zu überraschen, aber seine Hand glitt zum Heft seines Schwertes, und seine Augen weiteten sich ein wenig, wie immer, wenn Morgas erwähnt wurde. Er sah dann aus, als ob er aus den Höhlen der Berge hervorgekommen wäre, wo die Unterirdischen wohnen, und die meisten Leute, die ihn in solcher Stimmung erleben, bekreuzigten sich.
»Sie war furchterregend«, sagte er leise, aber schnell.
»Aber war sie auch schön?«
Er schwieg. Sein Daumen rieb müßig über das goldene Kreuzstück am Heft seines Schwertes. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Ich habe immer gesagt, sie ist schön, um zu erklären, was denen passierte, die sie sahen. Dennoch, als ich mich ihr entgegenstellte - zweimal, das erstemal, als ich die Inseln verließ, und noch einmal, ehe sie starb -, da kam sie mir nicht schön vor. Nein. Wenn die See und die Erde schön sind, dann hätte sie es nicht sein können. Aber sie anzusehen, das quälte die Seele, und niemand, der sie einmal gesehen hatte, konnte sie vergessen.«
»Aber warum? Selbst jetzt, wo sie tot ist, beeinflußt sie uns.
Artus und Medraut fürchten sie noch immer. Und Agravain...« Ich hielt mitten im Satz inne. Es war nicht freundlich, Gawain an seinen Bruder zu erinnern.
»Es war die Kraft ihres Hasses und die Kraft ihres Willens«, sagte er sehr langsam, aber noch immer leise. »Es war
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