Die Krone von Camelot
sprang auf und nahm den Jungen in die Arme, und er fing an zu weinen. Er lehnte sich an seinen Vater. Gawain war auch in Tränen. Endlich begriff ich, daß ich überflüssig war, drehte mich um und rannte hinaus. Die graue Welt da draußen vernebelte sich um mich, und ich hob die Hand und stellte fest, daß auch mein Gesicht naß war. Es war wunderbar, es war schrecklich, und dennoch - selbstsüchtiges Elend! -, Gawain hatte einen Sohn, und ich war unfruchtbar.
Gawain unternahm schnell Schritte, um Gwyn zu legitimieren. Unglücklicherweise war seine Stellung in seiner eigenen Sippe mehr als unsicher. Das alte Verbrechen des Mordes an einem Familienmitglied, das geruht hatte, solange Agravain König und Oberhaupt der königlichen Familie von den Inseln gewesen war, konnte jetzt jeden Augenblick von Medraut wieder ausgegraben werden. In den kurzen Monaten, seit Medraut König geworden war, hatte niemand so etwas erwähnt, aber Gawain konnte nicht versuchen, seinem Sohn königlichen Status zu verschaffen, ohne seinen eigenen zu riskieren und wahrscheinlich zu verlieren. Da er allerdings unverheiratet war, konnte er Gwyn nach den Gesetzen des Reiches zu seinem legitimen Erben erklären und ihm dadurch gesetzlich den Stand seines Sohnes und Artus’ Großneffen zuweisen. Dazu präsentierte Gawain ein paar Tage, nachdem er den Brief empfangen hatte, Gwyn bei einem Fest und schwor vor Artus, daß dies sein Sohn sei, von der Mutter, Elidan, Tochter des Caw, auf den Namen Gawain getauft. Er bat Artus, ihn als seinen Sohn und Erben anzuerkennen. Artus fragte, ob jemand etwas dagegen vorzubringen hätte, und als niemand sprach, rief er die >Familie< zu Zeugen davon aus, daß Gawain ap Gawain von jetzt an als zum Adel zugehörig und als sein eigenes Familienmitglied zu betrachten sei. Zum Zeichen dessen schnitt er Gwyn eine Haarlocke ab, wie ein Pate das tun würde, und befahl dann dem Jungen, sich neben seinen Vater an den Hohen Tisch zu setzen. Vater und Sohn nahmen unter den Hochrufen von Gawains Freunden ihre Plätze ein, und ich schenkte für alle am Hohen Tisch Wein ein. Artus lächelte während dieser Zeremonie wie auch ich. Aber Gwyn schaute sehr ernst drein. Gawain wirkte ruhig, aber er beobachtete Gwyn, als ob er Angst hätte, daß der Junge einer von den Unterirdischen sei und beim Hahnenschrei verschwinden könne. Gwyn nahm einen Schluck Wein, an den er nicht gewöhnt war, und fing an zu husten. Er setzte das Glas ab und wurde rot. Aber als er sah, wie wir ihn anlächelten, da lächelte er plötzlich zurück, und sein ganzes Gesicht war überflutet von reiner Freude. Er hob Artus und mir sein Glas entgegen.
»Das ist ein Sohn, wie ihn sich jeder Mann wünscht«, sagte Artus in dieser Nacht, als wir allein zusammen in unserem Haus waren. »Gawain kann sich glücklich schätzen.«
»In der Tat«, sagte ich. Ich saß beim Feuer und löste mein Haar. »Ich werde Gwyns Hilfe vermissen.«
Artus lächelte und betrachtete mich. »Du meinst, du wirst seine Gesellschaft vermissen. Aber es wird leicht genug sein, einen anderen Schreiber zu finden. Kinder bekommt man weniger leicht.«
Ich hörte auf zu kämmen und drehte mir eine Haarlocke um den Finger, als ob ich eine wirre Stelle darin entdeckt hätte. Es waren noch immer nicht allzu viele graue Haare darin, aber ein paar. Kinder bekam man allerdings weniger leicht. Und ich nehme an, für einen Mann ist ein Kind, das man im sechsten Monat verliert, nicht wirklich ein Kind. Ich hatte meinen Sohn, ehe ich ihn verlor, einmal unter dem Herzen gespürt, und ich wußte damals, daß er wirklich war. Aber Artus war damals auf einem Feldzug gewesen; er war zwar danach zurückgekommen, sobald er konnte, als ich noch immer sehr krank war, und er hatte versucht, mich zu trösten. Aber selbst damals konnte ich sehen, daß er nicht verstanden hatte. Nur -verstand er jetzt?
»Artus«, sagte ich, »hast du schon daran gedacht, eine andere Frau zu nehmen?«
Er lächelte mich an. »Bist du denn gestorben, mein Liebstes? Ich dachte, selbst ich würde so ein Vorkommnis bemerken.«
»Ich scherze nicht. Es gibt andere Trennungen als den Tod, und wenn die Kirche sie auch nicht billigt, sie sind doch dem Gesetz und der Sitte wohlbekannt. Viele Adlige lassen sich voneinander
scheiden. Und du bist nicht zu alt, um ein Kind zu haben.«
Das Lächeln war völlig verschwunden. Er sprang auf, kam herüber und packte meine Schultern. Er hockte sich nieder, damit er mir ins Gesicht schauen konnte.
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