Die Krone von Camelot
wie das zerknitterte Pergament. Er starrte Gawain an. Gawain gab den Blick lange Zeit zurück, dann ließ er sich auf ein Knie fallen und hob die Hände in einer schwachen, hilflosen Geste.
»Hochedler Herr! Nicht!« rief Gwyn. Er rannte zu Gawain und versuchte, ihn wieder hochzuziehen. »Nicht vor mir, edler Herr!«
Gawain schüttelte den Kopf und blieb knien. »Du hast das Recht, mir zu vergeben oder mich zu verdammen.«
Gwyn trat einen Schritt zurück, blinzelte und sagte dann mit neuer, ruhiger Stimme: »Laß mich den Brief lesen.«
Gawain reichte ihn ihm. Der Junge stand sehr gerade im grauen Licht des Stalles und las den Brief mit leiser, klarer Stimme:
»Elidan, Tochter des Caw und Äbtissin von St. Elena, an Gawain, Sohn des Lot. Ich sterbe, so sieht es aus, und die Dinge, die mir einmal wichtig schienen, scheinen mir jetzt weniger wichtig. Für Gott spielt es keine Rolle, daß ich von Adel bin oder daß ich stark genug war, um nicht zu verzeihen. Ich verzeihe dir jetzt dafür, daß du mir Unrecht getan hast. Verzeih du mir den Schmerz, den ich dir verursacht habe. Es wäre besser gewesen, wenn ich früher nachgegeben und dich geheiratet hätte - aber es ist eine üble Welt, und das, was hätte sein können, ist jetzt nur noch Qual. Ich empfehle dir jetzt das Kind an, das ich getragen habe, deinen Sohn. Er ist nach deinem Namen Gawain getauft worden, aber sein ganzes Leben lang haben wir ihn Gwyn gerufen. Ich wollte, daß er Priester wird, aber das Schicksal ist stärker als ich, und es ist jetzt ein Jahr her, seit er nach Camlann ging. Und, das weiß ich aus seinen Briefen, er hat dich kennengelernt und fängt schon an, dich zu lieben.« Gwyn zögerte, errötete und kämpfte sich dann weiter: »Kümmere dich um ihn und schütze ihn mit friedlichem Herzen, denn ich schwöre vor Gott, dem ich bald gegenübertreten muß, daß er dein Sohn und meiner ist und niemand anderes Kind. Und endlich kann ich froh darüber sein, daß er zu dir gegangen ist, denn es ist recht, daß er seinen Vater kennt und daß du ihn kennenlernst. Gottes Segen sei mit euch beiden. Glaub mir, daß ich dich geliebt habe. Leb wohl.«
Der Junge senkte den Brief und schaute Gawain wieder an. »Du?« rief er, und die erzwungene Ruhe war verschwunden. Er war jetzt leidenschaftlich und ungläubig.
Gawain nickte.
»Aber. du? Jeder andere. Hast du sie geliebt?«
Zum erstenmal, daß ich mich erinnern konnte, war Gawains Gesicht offen und völlig ungeschützt und verwundbar. Es war verzerrt von Schmerz und Angst, und um die Augen herum hatte es den wehen Ausdruck, der von plötzlichem Schmerz kommt. »Ich hab’ sie geliebt«, sagte er. »Als ich sie liebte, da wußte ich nicht, wie sehr ich sie liebte. Aber es war dennoch schändlich.«
Gwyn schaute den Brief wieder an. Er biß sich auf die Lippe und fing an, ihn einzurollen. Es dauerte lange. Seine Hände zitterten. »Du«, sagte er dabei, »ich habe nie gewagt, auch nur davon zu träumen, daß du es sein könntest. Ich wußte - nun, schon vor langer Zeit habe ich erraten, daß sie. meinen Vater geliebt hat. Ich weiß noch, wie sie schreckliche Dinge von ihm erzählte, als ich klein war, aber manchmal in der Nacht, da hat sie geweint. Und die anderen Schwestern flüsterten darüber und sagten, sie sei noch immer in ihn verliebt. Aber sie wollte mir niemals von meinem Vater erzählen, selbst als ich älter war und sie fragte. Ich hab’ nie verstanden, warum jemand sie verlassen konnte. Und trotzdem hast du sie nicht geheiratet.«
»Sie konnte den Mörder ihres Bruders nicht heiraten. Als es zu spät war, da wollte ich sie heiraten, und sie sagte, sie würde sich umbringen, wenn ich wieder in ihre Nähe käme. Und ich wußte nie, daß sie einen Sohn hatte.« Schweigen. »Beim Hohen König des
Himmels, kannst du mir verzeihen?«
Gwyn schaute ihn wütend an. »Natürlich. Dir könnte ich alles verzeihen. Ich könnte dir sogar verzeihen, wenn du sie nicht wirklich geliebt hättest, wenn du alles mit Absicht getan hättest. Ich habe geglaubt, du wärst wie St. Michael in den Evangelien, der Drachen niederreitet. Weißt du das denn nicht? Nur das. und sie ist tot -meine Mutter ist tot, und ich war nicht da. Ich hab’ sie verlassen, um ein Krieger zu werden, und jetzt segnet sie mich und verzeiht mir, aber sie schreibt nicht an mich. An dich hat sie geschrieben, weil. weil du derjenige warst, der.« Er brach ab und schnappte nach Luft und versuchte, die Schluchzer niederzuwürgen. Gawain
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