Die Krone von Camelot
denn ihre Regierung lastete schwer auf den Leuten. Aber sie war gerissener. Sie hatte ein Gespür dafür, was man tun konnte und was nicht, und die Leute hatten vor ihr mehr Angst, als sie je vor Medraut Angst haben werden.« Er schaute wieder den Brief von seinem Bruder an, hob dann den Blick und runzelte die Stirn. »Das wird nicht das Ende von Medrauts Schwierigkeiten sein.«
Auch nicht das Ende unserer Schwierigkeiten, dachte ich.
6
Anfang Oktober segelte Medraut mit zwei Schiffen und fünfzig Mann in Caer Gwent ein. Weil er in Frieden kam und im Namen des Kaisers, bot ihm Cynyr, der Herr von Caer Gwent, seine Gastfreundschaft an. Er schickte Artus Nachricht, er sei da und verlange eine Eskorte, damit das Land durch die Größe seiner Leibwache nicht in Schrecken versetzt würde. Artus selbst ritt nach Westen, um ihn nach Camlann zu begleiten. Er nahm auch fünfzig Mann mit. Er ließ mich und Bedwyr zurück, um die Burg zu verwalten.
Es war schwierig für mich geworden, Bedwyr aus dem Weg zu gehen, selbst ehe Artus losgeritten war. Am Anfang, als der Feldherr eben aus Gallien zurückgekehrt war, hatte er sich genausosehr bemüht, mir aus dem Weg zu gehen. Aber seine Anstrengungen waren erschlafft. Als der September kam, suchte er regelrecht Gelegenheit, um mich zu sehen. Einmal tadelte ich ihn dafür; er wandte den Blick ab und flüsterte: »Ich tu das nicht mit Absicht«, und dann, ganz langsam, wanderte sein Blick zu mir zurück, und er fügte hinzu: »Ich kann nicht anders.« Das beschämte mich. Bedwyr war von Natur aus ernst und nicht leicht zur Liebe zu bewegen. Aber wenn er sich verpflichtet hatte, dann war er treu und beständig, und deshalb litt er. In den Liedern leiden die Männer immer auf diese Weise, aber in Wirklichkeit vergessen die meisten die Liebe viel leichter. Bedwyr dagegen wurde fast krank davon. Mager und erschöpft war er aus Kleinbritannien zurückgekehrt, und mager und erschöpft blieb er auch. Er konnte nicht mehr frei mit Artus sprechen, was meinen Mann verwirrte. »Ich weiß nicht, was mit Bedwyr los ist«, vertraute er mir einmal abends an.
»Seit er aus Gallien zurück ist, wirkt er grimmig und still wie eine Grabsäule. Glaubt er denn, daß ich wütend bin, weil er gescheitert ist oder weil Macsen versuchte, ihn zur Untreue zu bewegen? Da sollte er mich aber besser kennen.«
Ich sagte nichts. Ich wußte nur zu gut, daß Bedwyr vor Artus von Schuld gequält wurde, und vielleicht auch von der Eifersucht. Ich konnte nichts sagen, selbst als Artus böse wurde. Jedesmal, wenn ich Bedwyr sah, erinnerte ich mich an diesen süßen, schrecklichen Nachmittag, und manchmal lag ich nachts wach und horchte auf
Artus’ ruhige Atemzüge neben mir, und ich sehnte und schämte mich. Manchmal begegnete mein Blick bei einem Fest Bedwyrs Blicken, und wir wußten ohne Worte, wohin unsere Gedanken sich gewandt hatten, und dann spürte ich, wie mein Gesicht heiß wurde, und ich drehte mich um und tat so, als ob ich mit einem anderen redete. Aber ich fühlte seine Anwesenheit wie ein strahlendes Licht, das Schatten um mich her warf. Also versuchte ich, dem Feldherrn nur in der Öffentlichkeit zu begegnen. Ich hatte Angst, als Artus verkündete, er wolle sich mit Medraut in Caer Gwent treffen, und ich drängte ihn, statt dessen Bedwyr zu schicken.
»Du beeilst dich, ihn zu treffen, als ob ihr beide einen Zweikampf auszufechten hättet«, sagte ich. »Aber du bist Kaiser, und er ist nur der Herrscher von ein paar Inseln am Rand der Welt. Außerdem ist er offiziell ein verbündeter Untertan. Du hast die stärkere Position. Laß ihn das spüren, und laß den Rest der Welt es sehen. Laß ihn zu dir kommen.«
Aber Artus stand nur in der Tür des Besprechungszimmers und drehte mir den Rücken zu und starrte nach Westen und befingerte das Heft seines Schwerts. »Warum sollte ich es Medraut erlauben, die Rolle eines Untertanen und Verbündeten zu spielen, wo wir doch beide wissen, daß er im Reich mein Gegner ist?« wollte er verbittert wissen. »Laß ihn und die >Familie< und den Rest von Britannien sehen, daß ich mich ihm gegenüberstelle, und laß sie begreifen, daß es für sie eine Frage der Wahl ist. Außerdem will ich selbst sehen, wie er sich bei meinen Untertanen aufführt. Vielleicht hat er Cynyr von Caer Gwent seine Geschichte schon erzählt. Ich kann dann sehen, was Cynyr von dieser Geschichte und von mir hält.«
»Mein Liebster, wenn er es Cynyr erzählt hat, dann werden wir es früh
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