Die Krone von Camelot
fragte ich. »Maelgwyn versucht doch jedes Jahr, uns mit dem Tribut zu betrügen; es wäre erstaunlich, wenn er es nicht täte. Während des Krieges hat er oft damit Erfolg gehabt. Im Frühling schicken wir ihm dann wieder wie üblich ein paar Leute hin, um den >unglückseligen Fehler< zu korrigieren - und vielleicht werden wir ihn diesmal dazu bringen, die Kosten für ihre Reise zu bezahlen.«
»Und du kannst ausrechnen, um wieviel er uns betrügen will?«
»Natürlich. Wir setzen die Tributzahlungen nach der Größe der Ernte fest. Maelgwyns Tribut hat die Menge der Ernte weniger fünfzehn oder zwanzig Prozent und plus eine Menge, die danach angesetzt wird, wie schwierig er sich in diesem Jahr betragen hat. Wenn er sich zu viele andere kleine Übertretungen hat zuschulden kommen lassen, dann wird er nervös und ein bißchen ehrlicher.«
Bedwyr lachte, und ich lachte mit. Dann sah ich, daß er mich wieder mit diesem eigentümlichen Licht in den Augen anschaute, und ich hörte auf zu lachen. Er wurde sehr ernst, streckte sich aus und ergriff meine Hand. Ich wandte mich ab.
»Aber. wir müssen noch zweihundert Stück Vieh in der Nähe haben.« begann ich unsicher. Seine Hand auf meiner wirkte wie die Wärme eines Feuers auf einen Blinden, viel wirklicher als das Augenlicht.
»My Lady .« flüsterte er.
»Du mußt die Schafe von den südlichen Weiden wegtreiben lassen, mit einem Wachposten oder zweien, damit sie die anderen Weiden erreichen. «
»Gwynhwyfar.«
Ich hörte auf, mich zu bemühen, und schaute ihn an. Der Puls meines Blutes machte mich schwindlig: Ich spürte ihn in jedem Zoll meines Körpers. »Wir dürfen es nicht«, sagte ich. »Es ist ein Betrug, es ist die schlimmste aller Sünden.«
»Bitte«, wisperte er, »nur noch dieses eine Mal.« Er rückte näher an mich heran, und seine Hand glitt meinen Arm hinauf.
Ich schloß die Augen und versuchte zu beten. »Aber denk doch daran, was passieren würde, wenn Medraut das entdeckte. Denk daran, wie er sein Wissen benutzen könnte.«
»Nur noch einmal, nur noch einmal. Bitte. Ich kann so nicht leben. Ich kann nicht mehr denken, weil ich an dich denke. Ich kann weder schlafen noch ruhen. Meine Liebste, ich kann es nicht ertragen.« Er war jetzt neben mir, legte den Arm um mich und berührte meine Brust.
Ich wollte aufstehen. Statt dessen sagte ich nur mit schwacher Stimme: »Aber du mußt es ertragen.«
»Bitte. Nur noch einmal.« Er küßte mich. Danach konnte ich nicht mehr denken; als er sich von mir losmachte und mich anschaute, hielt ich ihn fest und nickte weinend.
Als es vorbei war, schworen wir uns wieder, daß dies das Ende sein müsse, daß es nicht wieder passieren dürfe. Aber wenn man zweimal unfähig gewesen ist, einen Vorsatz einzuhalten, dann fängt man an, Fehlschläge zu erwarten. Und aus dieser Erwartung ergeben sich weitere Niederlagen. Wir hielten unseren Entschluß weniger als einen Monat ein, ehe wir ihn bei einer neuen Krise wieder brachen. Danach hofften wir, daß die Sehnsucht durch viele Liebesstunden sich erschöpfen würde, aber wir erreichten nur, daß wir einander unentbehrlich wurden. Und bei wiederholten Sünden wird das
Gewissen, das zuerst noch empfindlich ist, nach und nach unempfindlich und findet Entschuldigungen, und man hört auf, sich besonders davon bewegen zu lassen. Nach einer Zeit war es uns sogar möglich, uns Artus gegenüber natürlich zu benehmen. Aber das kam später; zuerst hätte er etwas bemerkt, wenn er nicht selbst zu angespannt gewesen wäre, zu deprimiert, um mit seinen Freunden natürlich zu sprechen.
Artus kehrte mit Medraut an einem goldenen Oktobermorgen zurück, in der Woche, nachdem er abgereist war. Einer der Wachposten kam eine Stunde vor Mittag vom Tor und sagte mir, man hätte die Gruppe kommen sehen. Ich ging mit ihm zurück zum Tor und stieg auf den Torturm, um Ausschau zu halten. Bedwyr war schon da; er hielt auf seinem Pferd vor dem Tor und wartete darauf, Artus zu begrüßen und das militärische Kommando wieder abzugeben, das ihm Artus zeitweilig verliehen hatte. Er nickte mir zu, als ich ankam, aber nicht mehr. So lange wenigstens konnten wir unseren Entschluß einhalten.
Der Himmel war wolkenlos und hatte einen harten Glanz wie blaues Email, und die Bäume an den Rändern der Felder wirkten im Sonnenlicht wie aus Bronze gegossen. Die Felder selbst allerdings waren öde, denn die Ernte war eingebracht, und die Erde wirkte stoppelig und grau oder schwarz vom jährlichen
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