Die Krone von Camelot
Außerdem konnten die Frauen, da es ja ein privates Fest war, die Tische mit ihren Männern teilen und würden ohne Zweifel dazu beitragen, daß die Stimmung sich weiter lockerte.
Zuerst ging alles sehr gut. Cei hatte um die Erlaubnis gebeten, seine Geliebte, Maire, neben ihm sitzen zu lassen, und sie erschien auch in ihrem besten Kleid und behängt mit etwas geborgtem Schmuck. Sie war so aufgeregt wie ein kleines Kind und lachte entzückt über jede Kleinigkeit. Fast alle am Hohen Tisch fingen auch an zu lachen, und als das Mahl vorüber war, hatten wir schon mehrere alte Preislieder von Taliesin gehört. Es schien fast, als ob Medraut nie nach Camlann gekommen wäre, obwohl er schweigend in unserer Mitte saß. Auch die unteren Tische hallten von Gelächter und Witzen und von alten Schlachten, die noch einmal durchgekämpft wurden. Taliesin kam und setzte sich ans Ende des Hohen Tisches und lächelte, er sei müde vom Singen, und jetzt sei jemand anders an der Reihe. Gawain lachte und spielte irgendein irisches Lied über den Frühling, das er vor einer Weile in die britische Sprache übersetzt hatte. Dann bot er die Harfe Bedwyr an. Bedwyr war in außergewöhnlich guter Stimmung. Er nahm sie, lächelte und sagte: »Ich soll also als erster nach dir spielen und mich zum Narren machen? Warum gibst du das Instrument nicht an Cei weiter, damit er sich blamiert? Aber wenn ich muß.« Und dann spielte er einhändig ein Lied - ein lateinisches Gedicht, das ich gern mochte. Bedwyr hatte keine gute Stimme, aber sein Harfespiel war ausgezeichnet: Sparsam, schwierig, kraftvoll. Als er fertig war, bot er mir die Harfe an. Aber das Harfespiel gehörte zu den Dingen, die ich zugunsten des Lesens vernachlässigt hatte, als ich noch jung gewesen war. Also lehnte ich ab und gab statt dessen die Harfe Medraut, der zu meiner Linken saß.
Medraut nahm sie, lächelte mit aller Höflichkeit und fing an, das Präludium zur Geschichte von Blodeuwedd zu spielen - einem Lied über eine Ehebrecherin. Ostentativ warf er mir einen Blick zu, ehe er tatsächlich zu singen begann, schaute allerdings ungetrübt drein. Er machte eine Pause, gerade lange genug, daß jeder sie bemerkte, der zuhörte. Dann fing er an, etwas anderes zu spielen. Er machte das sehr geschickt. Es war eine Andeutung, die für jeden vollkommen zu durchschauen war, ohne daß er ein Wort sagte. Ich konnte nur ruhig dreinschauen und lächeln und so tun, als ob ich zu unschuldig wäre, um es zu bemerken.
Als Medraut mit seinem Lied zu Ende war und die Harfe Gwyn anbot, der neben ihm saß, da nahm Gwyn das Instrument mit sehr ernstem Blick an. Er zupfte zögernd an den Saiten, als ob sie verstimmt wären, und blickte dann entschlossen auf. »Ich sehe nicht ein, warum du das erste Lied, das du angespielt hast, nicht zu Ende gebracht hast«, sagte er Medraut in klarer, tönender Stimme. »War die Harfe da zu falsch gestimmt?«
Medrauts Lächeln blieb unverändert, aber seine Augen glitzerten. Er hatte Gwyn leidenschaftlich gehaßt, von dem Augenblick an, als er erfuhr, daß der Junge der Sohn seines Bruders war und deshalb eher Haß als Verachtung verdiente. Zerstörerisch, wie Medraut war, hatte er offensichtliche Schwierigkeiten, diesen Haß zu verbergen. Gwyn machte natürlich keine fruchtlosen Versuche, seine Abneigung gegen Medraut zu verstecken, und zwischen den beiden herrschte eine eigentümliche Ehrlichkeit.
»Nein«, sagte Medraut. »Aber ich dachte, die Geschichte wäre zu lang, und außerdem wäre sie auch für die anwesende Gesellschaft nicht passend gewesen.«
Gwyn lächelte und zupfte noch ein paar Saiten. »Allerdings, du hättest uns alle damit gelangweilt - das Lied ist schon so oft gesungen worden, daß alle es auswendig können. Und passend ist es auch nicht, weil keine große Wahrheit darin liegt - ich habe neulich mit einem Priester gesprochen, einem gebildeten Mann. Der sagte, es sei eine heidnische Sage über die alten Götter, und es sei von vorne bis hinten falsch und übel.« Maire kicherte darüber, und einen Augenblick später klang wieder in Wellen das Gelächter von den Leuten herüber, die der Unterhaltung gefolgt waren. Gwyn schaute mich an, und sein Lächeln veränderte sich zu einem Ausdruck wunderbarer, geheimer Freude. Er teilte mit mir die Befriedigung darüber, daß Medraut beschämt worden war.
Ich lächelte zurück. Ich liebte den Jungen. »Spiel das Lied, das du neulich in der Halle gespielt hast«, schlug ich vor. »Es hatte eine
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