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Die Krone von Lytar

Titel: Die Krone von Lytar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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singen hörten, und als der erste Ton erklang, war es, als ob das ganze Tal innehielt, um ihr zu lauschen. Niemals zuvor hatte man eine solche Stimme gehört, und niemals zuvor war die alte Weise mit so viel Inbrunst gesungen worden. Wenn überhaupt jemals eine Bitte um Gnade die Göttin erreichen würde, dann die Elyras, deren Stimme wohl selbst eine Gabe der Götter sein musste.
    Als schließlich der letzte Ton verhallt war und Elyra zurücktrat, gab es in der ganzen Gemeinschaft kein Auge, das trocken geblieben war.
    Lange Zeit sagte niemand ein Wort, alle knieten nach wie vor andächtig und still vor dem Schrein, als ob die Melodie noch immer in ihren Seelen nachschwingen würde.
     
    Dann räusperte sich Pulver.
    »Mistral, Herrin, wenn Ihr die Zeit haben solltet. Ich meine, wenn es Euch recht ist, wäre es schön, wenn Ihr uns verzeihen könntet. Wir haben Euch nicht absichtlich vernachlässigt. Es gibt nur immer so viel zu tun. Was ich sagen will, Herrin, ist, dass jeder von uns an Euch glaubt und Euch liebt. Daher wäre es schön, wenn Ihr uns helfen könntet. Und uns vielleicht einen Weg zeigt, wie wir unsere Schwierigkeiten bewältigen können. Danke fürs Zuhören, Herrin.«
     
    »Woher willst du wissen, dass sie uns zugehört hat?«, fragte ihn Elyra kurz darauf, als sie ihn zusammen mit einem Freund an einem der Gräber stehen sah.
    Pulver strich ihr sachte über das Haar und lächelte dabei leise. »Warum sollte sie nicht? Wir haben es schließlich ernst gemeint mit unseren Gebeten.« Er wandte sich wieder seinem Freund, dem Gerber, zu. »Erinnerst du dich, wie Taslin mit dem Bären gerungen hat?«
    »Natürlich«, grinste der Gerber. »Er sagte, er habe vorher mit seiner Frau trainiert.«
    Sie lachten und hoben ihre Becher auf ihren Freund. Elyra war jedoch nicht zum Lachen zumute. Sie musste an den kleinen Stein mit dem Wappen ihrer Familie denken, der ein Grab zierte, das einen leeren Sarg enthielt.
    Auch Garret war still und in sich gekehrt. Er stand mit seinem Vater am Grab seines Großvaters. Garen hatte ihm gerade dessen Bogen übergeben, der nun schwarz wie die Nacht war und matt glänzte. Garret versuchte nicht daran zu denken, dass der Sarg nicht viel mehr als ein Paar verkohlte alte Stiefel enthielt.
    »Weißt du, Garret«, erklärte ihm sein Vater leise, »es gab schon immer diese Legende, dass man Firanholz im Odem eines Drachen härten könnte. Doch als mir mein Vater früher davon erzählte, habe ich immer nur gelacht und gemeint, dass ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen könnte.«
    Er seufzte. »Nun, Vater hatte recht. Dieser Bogen hier … ich habe so etwas noch nie gesehen.«
    »Er ist nicht spröde geworden?«, fragte Garret beeindruckt.
    Sein Vater schüttelte den Kopf. »Spanne ihn«, forderte er ihn auf, und zu Garrets großer Überraschung war er kaum imstande, dem mächtigen Bogen die Sehne aufzuziehen.
    »Ich kann mir keinen stärkeren Bogen vorstellen«, sagte Garen leise. »Schon vorher hatte er weit über hundertvierzig Pfund Zug, und jetzt …« Er zuckte die Schultern. »Ich bin bereits zu alt für diesen Bogen, aber du wirst noch lernen, mit ihm umzugehen.«
    Ein Bogen mit weniger Zug wäre für Garret sicher vernünftiger gewesen, das wussten sie beide, aber es war eine Frage der Ehre und des Stolzes, weshalb Garret den Bogen, ohne zu zögern, von seinem Vater entgegennahm.
    Da zog ihn jemand am Ärmel, und er drehte sich um. Es war Vanessa, Tarlons Schwester.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass ich ihn vermisse«, meinte sie ernsthaft, und Garret nickte.
    Er wusste, wie oft sie bei seinem Großvater in der Werkstatt gesessen und seinen Geschichten zugehört hatte. Vanessa war knapp ein Jahr jünger als Tarlon und genau wie dieser von hohem Wuchs, fast so groß wie Garret. Aber sie war, den Göttern sei Dank, bei Weitem nicht so wuchtig gebaut wie ihr Bruder, sondern rank und schlank. Sie wirkte stets ruhig und in sich gekehrt, aber aus irgendwelchen Gründen erinnerte sie Garret stets an eine Wölfin. Wenn er ehrlich war, hatte er erst vor Kurzem festgestellt, dass sie zu einer jungen attraktiven Frau herangewachsen war, und sogar schon mit dem Gedanken gespielt, sie zu küssen. In diesem Moment war sie jedoch nicht mehr als eine Freundin für ihn, jemand, der seine Trauer mit ihm teilte und den alten Mann ebenfalls vermissen würde.
    »Ich würde euch gerne begleiten«, meinte Vanessa in ihrer ernsthaften Art, die Garret an ihren Bruder erinnerte, »aber ich

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