Die Krone von Lytar
muss bei den Verwundeten helfen.«
»Das ist eine wichtige Arbeit.«
Sie sah ihn an, und Garret fand es bemerkenswert, dass sie dabei nicht zu ihm aufsehen musste wie die meisten anderen jungen Frauen hier im Dorf. Sie wirkte traurig.
»Ich weiß«, antwortete sie. »Sie versuchen alle tapfer zu sein, aber sie haben Schmerzen, und ich kann es kaum ertragen, sie leiden zu sehen.«
»Wer nicht?«
Sie nickte nur, dann wandte sie sich ab und eilte davon, doch Garret hatte noch gesehen, dass ihr Tränen in die Augen getreten waren.
Als sie das Dorf am nächsten Morgen bei Tagesanbruch verließen, fühlten sie sich bei Weitem nicht so unbeschwert wie beim letzten Mal. Argor und Tarlon trugen dicke Lederkleidung, die fast an Rüstungen erinnerte, und sie alle waren bewaffnet. Sogar Elyra, die das Langschwert der Herrin Tylane auf ihrem Rücken trug. Auf dem gesamten Weg zur alten Handelsstraße war die Stimmung der Freunde gedrückt. Auch das Gewicht der Schwerter an ihren Hüften war ungewohnt, doch bald achteten sie nicht mehr darauf. Tarlon hatte neben seinem Schwert auch noch seine schwere Axt mitgenommen, und Garret fiel auf, dass sein Freund deren Schneide gefährlich scharf geschliffen hatte.
»Sagt mal, weiß einer von euch, wie man mit diesen Dingern umgeht?«, fragte Elyra, als sie das erste Nachtlager aufschlugen und sie ihre Klinge mit einem Seufzer der Erleichterung ablegte.
»Nun, sie haben einen Griff, und ich vermute, dass das die Stelle ist, an der man sie greift«, erklärte Garret hilfsbereit.
Elyra warf ihm einen bösen Blick zu. »Danke sehr, Garret. Darauf wäre ich nie gekommen.« Sie nahm das Schwert wieder auf und wog es in ihrer Hand. »Ich weiß gar nicht, warum ich es mitgenommen habe, aber es schien mir irgendwie angebracht. Allerdings habe ich nicht die Absicht, es zu benutzen.«
»Warum nicht?«, fragte Garret. »Wenn wir Ärger bekommen, ist es immer noch besser als ein Messer.«
»Es gab schon genügend Tote«, erklärte Elyra ernsthaft. »Ich will nicht, dass noch jemand stirbt. Nicht einmal einer unserer Feinde.«
»Sie haben uns angegriffen«, beharrte Argor.
»Man muss sich verteidigen können«, sagte Tarlon.
Doch Elyra schüttelte den Kopf. »Wenn ich die Krone hätte, würde ich sie diesem König geben, damit Friede ist.«
Neugierig sah sie zu Tarlon hinüber, der es sich an einem großen Stein bequem gemacht hatte und der nun ebenfalls langsam den Kopf schüttelte.
»Ich glaube, das würde nicht helfen«, meinte er in seiner bedächtigen Art. »So wie ich den Bürgermeister verstanden habe, ist dieser König ein machthungriger Mensch. Er würde die Krone nur dazu verwenden, Leid und Elend über andere Menschen zu bringen. Nein, wir müssen uns wehren. Und wenn es die Krone noch gäbe, dürfte sie unter keinen Umständen in seine Hände fallen.«
»Ich für meinen Teil bin froh, dass die Krone zerstört ist«, bekräftigte Argor und rollte sich in seine Decke ein, den Hammer griffbereit neben sich. »Eine solche Waffe darf niemals in die Hände eines Verrückten gelangen.«
»Woher willst du wissen, dass er verrückt ist?«, entgegnete Elyra schläfrig und gähnte. Argor stützte sich auf seinen Ellbogen und sah sie überrascht an.
»Er muss verrückt sein, wenn er uns den Krieg erklärt. Und den Worten des Bürgermeisters nach haben wir Krieg. Ich sage dir eines, Elyra, dieser Wahnsinnige wird den Tag noch bereuen, an dem er Lytara mit Krieg überzogen hat!« Die Bestimmtheit, mit der er diese Worte äußerte, verursachte eine Gänsehaut auf Garrets Rücken. An diesem Abend wurde nicht mehr viel gesprochen. Die Freunde legten sich bald nieder und hielten abwechselnd Wache.
Doch es war eine ruhige Nacht, und ruhig blieb es auch, bis sie am nächsten Tag die Wälder von Alt Lytar erreichten. Es war ein wunderschöner sonniger Tag, und Garret konnte sich nur schwer vorstellen, dass es irgendwo auf der Welt Krieg geben konnte, wo die Welt so schön war und sich von ihrer besten Seite zeigte.
Doch dieses Gefühl verflog sofort, als sie zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit tiefer in den Wald hineingingen. Wieder hatten sie das ungute Gefühl, dass etwas mit diesem Wald nicht stimmte. Elyras Gesicht hatte alle Farbe verloren, aber sie setzte tapfer Schritt vor Schritt. Tarlon betrachtete die Bäume um ihn herum äußerst nachdenklich und schüttelte traurig den Kopf. Garret blieb ebenfalls stehen und fingerte nervös an seinem Schwertgriff herum. Die
Weitere Kostenlose Bücher