Die Krone von Lytar
lebte die Stadt von der Arbeit Tausender von Sklaven, zusammengeraubt aus allen Winkeln der Weltenscheibe. Es war ein wahrhaft elendiges Schicksal, das diese Sklaven hier ereilte. Er schuf magische Werke, um ihnen die Arbeit zu erleichtern, und hoffte, dass man sie dann schonen möge. Dass der Wahnsinn, jeden Winkel der Welt unterjochen zu wollen, ein Ende finden würde! Wenn man in Wohlstand lebt, so dachte er, muss man keine Kriege mehr führen.«
»Warum kam es anders?«, wollte Elyra wissen. »Bei uns im Dorf hat ein jeder sein Auskommen. Und wir führten tatsächlich niemals wieder Krieg. Es gibt keinen Grund dazu, denn wir haben alles, was wir brauchen.«
»Bis auf den Frieden.« Knorre schüttelte den Kopf. »Es kam anders, da mit dem Reichtum auch die Angst wuchs, all das wieder zu verlieren. Man selbst hätte danach gegiert, wenn ein anderer es besessen hätte, und so dachte man im Umkehrschluss, dass die anderen es ebenso auf Lytars Reichtum abgesehen hatten. Um sich davor zu schützen, musste man die Welt nun vollends unterjochen.«
Knorre lehnte den Kopf müde an den Stein hinter sich und schloss die Augen. »Kein Wunder, dass mein Vorfahr wahnsinnig wurde. Während er sich im Dienst der Göttin wähnte, schuf er ein Übel, das auf der Welt noch immer seinesgleichen sucht.«
Argor musterte den hageren Mann vorsichtig. »Das erzählt Ihr nicht ohne Grund, Meister Knorre. Was wollt Ihr uns eigentlich sagen?«
»Wenn ihr gewillt seid, den Preis zu zahlen, zeige ich euch den Weg, die Schlacht zu gewinnen und die Verderbnis der alten Stadt zu besiegen. Es wird Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern, aber die Verderbnis wird vergehen, denn sie ist von den Göttern nicht gewollt und wider die Natur.«
»Wie meint Ihr das?«, fragte Elyra leise, doch Argor hatte verstanden.
»Es ist dieser Ort, nicht wahr? Der Damm …« Plötzlich verstand der Zwerg. »Dies war der Grund, warum Ihr mit uns gekommen seid. Es hat mit dem Damm zu tun, nur was habt Ihr vor?«
Knorre nickte. »Dieser Damm ist ein verfluchter Ort. Durchzogen von wabenförmigen Kammern und wasserdichten Türen, von gefluteten Gewölben und einem Raum, in dem die Macht des Wassers noch immer durch Röhren gepresst und unter die Stadt geleitet wird. Dort leuchtet die Magie so hell, dass sie die Augen verbrennen kann, sobald man hineinsieht. Der Damm ist zerstört und mit ihm all das, was einst dazu diente, ihn zu befestigen. Öffnet man also die Schleuse in jenem Raum, in dem die Magie tobt und Funken schlägt, wird es diese überlasten und eine Entladung herbeiführen, mit der sie sich selbst zerstört.«
Er sah Argor offen an. »Auf dem freien Platz nahe dem Hafen, dort, wo das Heer lagert, standen einst Gebäude, die hinweggespült wurden, als der Damm brach. Wäre nicht ein Teil des Hafengrunds mitabgesackt, so könnten in dem Hafen keine Schiffe mehr anlegen. Wenn der Damm nun zur Gänze bricht, und das wird geschehen, wenn sich die Magie entlädt, dann werden die Fluten des Sees, gestärkt durch das Gewitter, den Feind hinwegreißen und ins Meer spülen.«
»Und welches ist der Preis?«, flüsterte Elyra, in deren Augen die Angst vor der Antwort deutlich zu erkennen war.
»Ich war vor Jahren schon einmal dort unten und habe mir alles angesehen. Ich wollte zerstören, was mein Vorfahr schuf, um die Verderbnis aus der Welt zu nehmen. Das war, bevor Belior hier erschien. Doch um das zu tun, braucht es zwei kräftige Männer, um die beiden Räder gleichzeitig zu bedienen. Und es ist ungewiss, ja sogar zweifelhaft, ob es ihnen gelingen wird, sich in Sicherheit zu bringen, wenn die Magie anzuschwellen beginnt. Es ist Selbstmord, Elyra, Priesterin der Mistral. Das ist der Preis, der gezahlt werden muss. Dort unten, vor dem Damm, wird es den Tod bedeuten, und dort befinden sich eure Freunde, Garret und Tarlon. Und Hendriks, der zwar ein Mann ist, den ich nicht mögen kann, der aber Ehre besitzt. Ihr könnt Euch die Macht des Wassers nicht vorstellen, die entfesselt wird, wenn der Damm bricht. Eure Freunde werden es nicht überleben, genauso wenig wie der Feind.«
Er atmete schwer durch. »So könnt Ihr diese Schlacht gewinnen. Ihr seid zu schwach dazu, Elyra. Ihr habt nicht die Kraft, das Rad zu drehen. Wenn Argor gewillt ist zu sterben und wenn Ihr gewillt seid, den Tod Eurer Freunde auf Euer Gewissen zu nehmen, dann habt Ihr hiermit den Preis, den es kostet, diese Schlacht für Euch zu entscheiden und die Verderbnis aus der Welt zu
Weitere Kostenlose Bücher