Die Krone von Lytar
nehmen.«
»Ihr selbst seid bereit dazu, nicht wahr?«, fragte Elyra leise.
Knorre nickte. »Ich bin alt, und nur ich weiß noch, wie man die Verderbnis besiegen kann. Früher oder später wird es geschehen, und der Damm wird brechen, auch wenn wir es jetzt nicht tun. Doch es kann noch Jahrhunderte dauern. Und mich friert bei dem Gedanken, welches Unheil bis dahin noch angerichtet werden kann!« Er sah sie direkt an. »Wenn Ihr mir den Segen Eurer Göttin gebt«, fuhr er dann fort, »werde ich es tun, ohne eine Sekunde zu zögern, und dankbar für die Chance sein, das wieder zu richten, was mein Vorfahr verbrochen hat.«
Knorre nahm das kleine Buch heraus und hielt es hoch. »Der letzte Eintrag seiner Aufzeichnungen zeigt, wie verzweifelt er darüber war, dass er Mistrals Gnade verloren hatte und sich ihr Geschenk an ihn in diese Verderbnis wandelte. Für den Segen Eurer Göttin hätte er diesen Dienst erbracht, und mir geht es nicht anders. Nur ich kann richten, was hier verdorben wurde, doch kann ich es nicht allein.«
Argor schluckte. Und schluckte dann erneut. Wasser, Stein und Magie. »Saht Ihr mich auf diese Weise sterben?«, fragte er dann langsam.
Knorre nickte. »Dies ist Eure Chance, dem prophezeiten Schicksal zu entgegen. Geht weg und schaut nicht mehr zurück, dann werdet Ihr noch Jahrhunderte leben.«
»Jahrhunderte, in denen ich mir den Bart Tag für Tag werde abrasieren müssen«, sprach Argor bitter. »Wie kann man so etwas entscheiden?«
»Es muss getan werden«, entschied Elyra mit belegter Stimme. Sie hob entschlossen das Kinn, während ihre Augen feucht wurden. »Was Ihr fordert, Meister Knorre, ist hart und grausam, doch wenn Ihr Euch sicher seid, dass es tatsächlich geschehen wird und der Damm wirklich bricht, ist es das, was getan werden muss. Um unser Dorf zu retten und der Verderbnis die Grundlage zu entziehen. Das allein gebietet es, denn auch die Macht meiner Göttin wird hier verdorben. Ich werde mit Euch in diese Tiefen hinabsteigen, und der Segen der Göttin wird es uns allen leichter machen, zu ihr zu gehen.«
»Das werdet Ihr ganz bestimmt nicht tun«, sagte Knorre fest. »Es liegt kein Sinn darin, denn Ihr müsst leben, um die Hoffnung aufrechtzuerhalten. Ihr seid die erste Priesterin der Herrin der Welten, die Lytar seit Jahrhunderten gesehen hat. Dies ist die Last, die Ihr zu schultern habt, Elyra. Ihr tragt den Willen der Göttin unter die Lebenden. Das und nichts anderes ist Eure Bestimmung.«
Auch Argor schüttelte den Kopf. »Ich kann es ebenfalls nicht zulassen, Elyra«, sagte er ungewohnt sanft. »Ich werde in den Tiefen dieses Gemäuers meinen Hammer nicht brauchen. Jemand muss ihn zu meinem Vater bringen. Ich habe einen Cousin, der ihn tragen wird.«
Elyra nickte langsam, und als er ihr seinen schweren Hammer hinhielt, nahm sie ihn mit beiden Händen. »Ich werde gut auf ihn aufpassen«, sagte sie dann.
»Das weiß ich«, gab Argor zurück. Es war ihm beinahe peinlich zuzusehen, wie ihre Augen feucht wurden, daher wandte er sich abrupt zu Knorre.
»Gibt es einen Grund, noch zu warten?«, fragte er den hageren Mann und sah zum Treppenabgang hinüber, der nun für ihn das Unheimlichste darstellte, das er jemals gesehen hatte. »Ich fürchte, meinen Mut zu verlieren, wenn ich zögere.«
»Nicht wirklich«, entgegnete Knorre und erhob sich, um an Elyra heranzutreten. »Jeder Zeitpunkt ist schlecht, um zu sterben. Es macht keinen Unterschied.« Er sah Elyra tief in die Augen. »Es wird Eure Freunde töten. Könnt Ihr diesen Preis wirklich bezahlen?«
Sie sah ihn fast schon verzweifelt an, ihre Zähne hatten sich tief in ihre Unterlippe gegraben, die sogar leicht blutete. Doch sie nickte langsam.
»Ich werde beten, dass die Göttin ihnen Schutz gewährt«, sagte sie dann mit leiser, aber entschlossener Stimme. »Es ist nötig, dies zu tun. Und ich kenne meine Freunde. Tarlon …« Sie holte tief Luft und sprach tapfer weiter. »Auch er würde so entscheiden. Er hat sich noch nie gescheut, das zu tun, was getan werden muss. Und Garret ebenso wenig. Jeder würde zustimmen und die Entscheidung als richtig ansehen, jeder würde den Preis bezahlen. Allein diese Sicherheit erlaubt es mir, so zu entscheiden. Und doch …« Sie berührte das Amulett auf ihrer Brust. »Ohne dies und meinen festen Glauben könnte ich es nicht. Ich spüre einfach, dass es das Richtige ist.«
»Dann«, sagte Knorre entschlossen und kniete sich vor ihr nieder, »gebt uns den Segen, damit wir
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