Die Krone von Lytar
für die Probleme anderer hatte und, so hieß es, schon in jungen Jahren sehr weise war. Ihr Bruder hingegen strebte nach dem Vorbild der alten Könige, die mit starker Hand die Welt in Ketten legen wollten. Wer von den beiden die Krone Lytars tragen würde, sollte von den Priesterinnen Mistrals entschieden werden. Der Prinz wartete das Urteil der Priester nicht ab und ernannte sich selbst zum König. Durch diesen Frevel war das Königreich gespalten, und die Prinzessin bat den Bruder auf Knien, sie und alle, die ihr folgen wollten, gehen zu lassen. Es heißt, dass dies das erste und einzige Mal gewesen wäre, dass der neue König irgendjemandem gegenüber Gnade walten ließ. Und so gab er sie frei. Noch in der gleichen Nacht traten die Priesterinnen der Mistral jedoch vor den Prinzen und teilten ihm mit, dass er niemals König werden würde … und so nahm das Unheil seinen Lauf.«
»Was geschah mit der Prinzessin?«
»Sie heiratete einen ihrer Gefolgsmänner, gebar ein Kind und verschwand ein paar Jahre später spurlos. Man weiß von ihr nur noch, dass sie sagte, sie könne sich ihrer Pflicht nicht länger entziehen …«
»Also hat die Linie der Könige von Lytar überlebt«, sagte Lamar überrascht. »Ich dachte, sie wäre ausgestorben?«
»Wie kommt Ihr darauf?«, fragte der alte Mann. »Im Gegenteil. Selbst nach all diesen Jahren findet Ihr heute das Blut der Könige von Lytar in jedem hier im Dorf. Doch niemand wird jemals nach der Krone Lytars greifen wollen, und wer nun das Kind der Prinzessin und somit der Erbe der Krone war, ist in der Zeit verloren gegangen. Als Beliors Drache das Archiv verbrannte, verbrannten auch die letzten Hinweise darauf, wer der Erbe hätte sein können. Es wird ihn geben, irgendwo. Aber das ist nicht wichtig.«
Er sah Lamar mit einer hochgezogenen Augenbraue an. »Würdet Ihr es wissen wollen, wenn Euer Blut Schuld an dem Unheil trüge, das einst von Lytar ausging?«
Lamar sah verlegen zur Seite. »Wohl eher nicht«, sagte er dann leise und sah sich nachdenklich um. Er musterte die alten Balken des Wirtshauses und die Gesichter derer, die gespannt darauf warteten, dass der Geschichtenerzähler fortfuhr.
»Gut. Um auf die Wappen auf dem Stahltor des Depots zurückzukommen: Es sind also die Wappen der Familien, die der Prinzessin einst ins Exil folgten?«, fragte Lamar dann. Der Alte Mann nickte. »So ist es.«
Offenbar hatten die Ältesten beschlossen, den Freunden den Vortritt zu lassen. Tarlons Schwert steckte bereits, und als Nächster schob nun Garret sein Schwert in den Schlitz unter dem Wappen seiner Familie. Dann folgte Elyra, die sich auf Zehenspitzen stellen musste, um ihr Schwert einzuführen. Ein Familienschwert folgte dem anderen, als Letzter war Pulver an der Reihe. Alle Schwerter passten und waren mit einem vernehmbaren Klicken im jeweiligen Schloss eingerastet.
Einen Moment lang geschah nichts, und die Dorfbewohner blickten sich ratlos an. Plötzlich glitt das Tor überraschend leise zur Seite und rollte bis zu der Stelle, an der die Schwertgriffe aus dem Tor ragten, in den Rahmen zurück.
Ein dunkler breiter Gang tat sich vor ihnen auf, und alte trockene Luft schlug ihnen entgegen. Im nächsten Moment wichen die meisten der Neugierigen erschreckt zurück, denn ein paar der Steine in der Decke begannen zu leuchten und erhellten fünf schwer gerüstete Gestalten, die am Ende des Gangs vor einem weiteren Tor standen. Es handelte sich eindeutig um Attrappen, dennoch löste ihr Anblick bei den Anwesenden ein Geraune und hastige Gebete an die Herrin aus.
Garret beachtete sie nicht und betrat den Gang, gefolgt von Elyra und Tarlon. Der Bürgermeister, der gerade an das offene Tor getreten war, hob die Hand, um sie aufzuhalten, schien es sich dann jedoch anders zu überlegen.
Langsam und vorsichtig näherten sich die drei den dunklen leblosen Gestalten. Jeder der fünf Hüter stützte sich auf ein schweres Bastardschwert und einen hohen Schild, von dem ein jeder das Wappen einer der alten Familien trug.
»Überall, wo wir hingehen, stoßen wir auf unsere Familie«, bemerkte Garret, denn die Gestalt vor ihm trug das Wappen der Sichel, der Mann daneben das der Grauvögel. Garret versuchte, in die Augenschlitze des Visiers vor ihm zu sehen, aber dazu war es zu dunkel.
»Nun, das ist wohl nicht anders zu erwarten«, ertönte eine weibliche Stimme, die die Freunde erschrocken einen Satz nach hinten machen ließ.
Es kam Bewegung in die Ritter, sie entspannten
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