Die Krone von Lytar
dankend zu, als sie eine Holzplatte mit Schinken, Wurst und Käse vor ihm abstellte, damit die nächsten Becher Wein auf eine gute Grundlagen stießen. »Sie wurden angegriffen und wehrten sich, so gut sie es konnten.«
»Aber Thyrmantor verlor niemals eine Schlacht!«, ereiferte sich Lamar und sprang vom Tisch auf.
»Zumindest nicht, soweit es Euch bekannt wäre, nicht wahr? Nun setzt Euch wieder, nehmt Euch etwas von diesem wirklich guten Käse und hört einfach weiter zu!«, sagte der alte Mann in einem bestimmten Tonfall, und niemand war überraschter als Lamar selbst, als er der Aufforderung automatisch Folge leistete.
Der alte Mann nickte zufrieden und erlaubte sich ein leichtes, fast wehmütiges Lächeln. »Wie Ihr Euch denken könnt, fiel es den meisten nicht besonders leicht, am nächsten Morgen aus dem Bett zu kommen. Doch das hielt zumindest unsere Freunde nicht davon ab, sich bei Sonnenaufgang auf den Weg zu machen …«
8
Die Vögel des Krieges
Eine halbe Stunde später befand sich halbe Dorf auf dem Weg zum alten Depot. Jeder, der ein Pferd oder einen Esel besaß, hatte sich angeschlossen, und nachdem der Rat der Ältesten nach einigen Diskussionen beschlossen hatte, den kürzesten Weg über die alte Handelsstraße zu nehmen, erreichte man das Depot am späten Nachmittag ohne größere Schwierigkeiten.
»Warum benutzt man die alte Straße eigentlich nicht mehr?«, fragte Garret neugierig seinen Vater Garen, der neben Hernul auf dem Kutschbock saß und seinen Bogen schussbereit hielt.
Garen schirmte seine Augen mit einer Hand gegen die Sonne ab und sah zu seinem Sohn auf, der auf seinem Pferd neben dem Wagen ritt.
»Nun«, antwortete Garen und hielt sich fest, als der Wagen über eine unebene Stelle holperte, »das liegt daran, dass früher alle Leute, die diese Straße benutzten, krank wurden und nach kurzer Zeit elendig starben.«
»Götter!«, hauchte Garret und wurde etwas blass um die Nase. »Woran erkennt man denn, dass man sich diese Krankheit zugezogen hat?«
»Die Haare und Zähne fallen dir aus, du kannst nichts mehr essen und trinken, offene Geschwüre entstehen überall, du wirst blind und krepierst wie ein kranker Hund«, antwortete sein Vater ungerührt. Unwillkürlich griff Garret in sein schulterlanges Haar, auf das er stolz war und das den jungen Frauen im Dorf auch zu gefallen schien.
»Und, noch fest?«, fragte sein Vater schmunzelnd.
»Wie kannst du darüber nur Witze machen!«, protestierte Garret empört. »Wir sind auf dieser Straße nun schon mehrfach unterwegs gewesen!«
»Aber ihr wart noch nicht in Alt Lytar«, sagte sein Vater. »Also brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Oder ich, den Göttern sei Dank.« Er sah Garret an. »Es ist die Passage durch die alte Stadt, die die Leute damals umbrachte.«
»Schade«, sagte Garret. »Diese alte Straße ist besser als alles, was wir haben, und es wäre sicherlich praktisch, wenn wir sie benutzen könnten.«
»Aber wir benutzen sie doch«, sagte Garen. »Sie führt im Bogen von Alt Lytar zu uns und von dort aus fast bis zum Pass. Auch die Händler, die zu uns kommen, verwenden sie, sobald sie das Tal erreichen.« Er machte eine weitläufige Geste, die das Tal umfasste. »Wir sind hier auf allen Seiten von hohen Bergen umgeben, nur die westliche Seite grenzt an das Meer der Tränen. Früher gab es zwei weitere, bequemere Pässe durch die Berge, aber auch sie wurden während des Kataklysmus zum Einsturz gebracht.«
»Wie konnten dann die Soldaten zu uns gelangen?«, fragte Garret.
Sein Vater nickte. »Diese Frage beunruhigt auch die Ältesten, denn es gibt nur eine denkbare Möglichkeit: Sie gingen im Hafen von Alt Lytar an Land. Und das bedeutet, dass unsere Gegner zumindest eine der Brücken über den Lyanta, den Fluss der Toten, wieder repariert haben. Oder es steht noch immer die Königsbrücke … aber nach den Jahrhunderten, die vergangen sind, erscheint mir das mehr als unwahrscheinlich. Jedenfalls müssen sie einen Weg gefunden haben, den Fluss zu überqueren, denn nur jenseits des Flusses konnten sie auf die alte Straße gelangen und bis zu uns vorstoßen.«
Garen sah nun wirklich besorgt aus. »Du musst wissen, mein Sohn, dass der Lyanta ein breiter Fluss ist, gute vierzig Mannslängen, und sehr schnell fließt, denn innerhalb der alten Stadt ist er in einen Kanal gefasst worden. Selbst wenn er keine unberechenbaren Strömungen hätte, wäre es kaum möglich, ihn zu durchschwimmen. Seit dem
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