Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu

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Bett, aber sie haben mich nicht schlafen lassen, ich musste andauernd ihre »Gefängnisstatuten« auswendig lernen, bis es mir zu den Ohren rauskam. Der Sommer ging vorüber, es wurde Herbst, ich spitzte durch einen Türspalt nach draußen, die ganze Welt war welk und verlor die Blätter. Die Gefangenen versammelten sich auf dem Sportplatz und sangen Lieder wie »Sterne sind um dich, der Mond begleitet dich«.
    LIAO YIWU:
    Ziemlich trostlos.
    LI HONGQI:
    Die Rowdys vom 4 . Juni blieben gut ein Jahr im Nr. 1 , dort haben sie verschiedene Arbeiten gemacht, dann wurden sie als Ganzes verlegt, ins Nr. 2 . Dort haben wir Plastikhandschuhe für den medizinischen Bedarf hergestellt. Meine Aufgabe war es, die Ränder zu beschneiden. Wir waren alle wie die Roboter, über zwölf Stunden hinweg immer wieder die gleichen ein, zwei Bewegungen. So musste man zum Beispiel zum Testen der Luftundurchlässigkeit zunächst in die Handschuhe hineinblasen, sie dann in die Hand nehmen und sie schließlich in einen Karton packen. In einem Karton waren zweitausend Paare, wenn davon drei undicht waren, musste man nacharbeiten, und es setzte Prügel; und wenn man das Soll nicht erfüllte, haben die Wärter einem mit Hochspannungselektrostöcken zugesetzt und einen mit Dünndraht gefesselt.
    LIAO YIWU:
    Hatten Sie Angst?
    LI HONGQI:
    Ich bin besonders geschickt mit Händen und Füßen. Das Malochen bringt mich nicht um. Aber bei vielen haben sich die Hände verformt, die sind für immer verunstaltet. Zwei von meinen Knastbrüdern, die zu langsam waren, haben es nicht mehr ausgehalten, sie haben ein Fieberthermometer zerschlagen und das Quecksilber getrunken. Das Ende vom Lied, man hat ihnen im Krankenhaus den Magen ausgepumpt, sie mussten weiterleben.
    LIAO YIWU:
    Als ich im Knast war, haben sie einem die Weichteile mit den Elektrostöcken verbrannt, ich habe mir sagen lassen, dass man Sie auch so behandelt hat?!
    LI HONGQI:
    Ich bin so oft unter Strom gesetzt worden. Das ist ein Gefühl, als würde man mit tausend Nadeln gestochen. Einmal hat mich der Schwarze Liu, unser kleiner Käptn, eine gute halbe Stunde unter Strom gesetzt, ich habe in allen Tonlagen gejault und gequiekt, wie ein gestochenes Schwein. Als der Schwarze aus der Puste kam, hat er mir den Elektroknüppel gegen den Mund gestoßen, da habe ich einfach zugebissen, ohne Rücksicht auf Verluste, klackklackklack, mir wären fast die Vorderzähne rausgeflogen. Anschließend hatte ich Brandschaum im und vor dem Mund, ich bekam fürchterlichen Hunger, aber ich bekam keinen Bissen herunter.
    LIAO YIWU:
    Da bekommt man ja eine Gänsehaut!
    LI HONGQI:
    Aber der kleine Schwarze Liu war noch nicht befriedigt und hat sich drei andere Gefangene zur Hilfe geholt, die drückten mich auf den Boden, haben einen alten Stuhl über mich gestellt, auf den hat sich der Schwarze Liu gesetzt, um die Situation zu kontrollieren. So, eingeklemmt zwischen den Stuhlbeinen, konnte ich mich nicht rühren. Dann haben sie mir die Hosen ausgezogen, haben mir das Hinterteil entblößt, und der Schwarze Liu, das abartige Arschloch, hat mir den Elektroknüppel mit beiden Händen direkt in die Rosette gedrückt, irgendwie muss ihn die besonders angemacht haben. Ich habe unkontrollierte Sätze gemacht, doch außer meinem Hals, den ich noch bewegen konnte, war mein ganzer Körper wie festgeschraubt. Ich verlor die Kontrolle über meine Körperfunktionen. Der Schwarze Liu höhnte: »Oh, was für ein Pech!«, dann drehte er mich auf den Rücken und hat mir das Geschlecht unter Strom gesetzt. Das war unerträglich, wie Messerstiche, ein paar von den Drecksäcken waren ganz außer sich und fingen an, irgendwelche Lieder zu grölen.
    LIAO YIWU:
    Hatte das Einfluss auf Ihre Geschlechtsfunktionen?
    LI HONGQI:
    Die Frage ist mir peinlich, darüber möchte ich nicht sprechen.
    LIAO YIWU:
    Wenn man so viele Jahre leidet, das ist nicht einfach.
    LI HONGQI:
    Am Anfang ist man noch voller Hoffnung, glaubte, der 4 . Juni könnte rehabilitiert werden. Aber später dann hat man überhaupt keine Hoffnungen mehr.
    LIAO YIWU:
    Ach, ach.
    LI HONGQI:
    Nicht doch, nicht doch. Ich erzähle mal einen Gefängniswitz. Die Rowdys Sun Chenggang, Li Fuquan und Luo Guozi hatten die gleiche Anklage, sie hatten mit vereinten Kräften ein Militärfahrzeug umgeworfen. Dieser Luo Guozi hatte erst nur dabeigestanden und zugesehen, dann hat er sich von der allgemeinen Erregung der Gemüter anstecken lassen und kräftig mitangepackt. Auf diese Weise