Die Kugel und das Opium
muss eine alte Frau sich auch nicht schämen!« Dann ist sie mit dem Knüppel dem nackten Gefangenen direkt unter die Genitalien gefahren. Je mehr der Gefangene in seiner ausweglosen Lage schrie, umso tückischer ist sie geworden, aus ihren Augen strahlte ein roter Schein, und sie stöhnte unbeherrscht. Außerdem hat sie im Abstand von ein, zwei Monaten einen Arzt zur Untersuchung von Geschlechtskrankheiten hereingeführt; wer krank war, wurde mit einem Tritt zurückbefördert, wer gesund war, dem wurde Samenflüssigkeit entnommen, keine Ahnung zu welchem Zweck.
LIAO YIWU:
Wie haben sie denn das gemacht? Mussten sich da alle einen runterholen?
LI BIFENG:
Vor den anderen, das ging nicht. Der Arzt wählte einen sensibleren Teil, Möglichkeiten gibt es viele.
LIAO YIWU:
Erzähl weiter.
LI BIFENG:
Im Sommer 1991 regnete es in Strömen, und der Fujiang trat über die Ufer. Eines Abends war es komplett diesig, da habe ich geträumt, eine Schlange würde an meiner Fußsohle lecken, instinktiv habe ich den Fuß zurückgezogen, habe dabei allerdings ein paar Spritzer gemacht. Mit einem Schreckensschrei bin ich aufgesprungen, das Hochwasser war bereits bis zu meinem Bett gestiegen. Die Gefangenen waren vom Wasser eingeschlossen, sie konnten nicht entkommen, also haben wir zusammen angefangen zu schreien: »Licht an! Licht an!« Aber normalerweise gab es keine Lampen, die die ganze Nacht angewesen wären, also haben wir alle in vollständiger Finsternis im Wasser herumgerührt, keiner hat gewagt, auch nur einen halben Schritt zu machen, denn wenn man vom Bett herunterfiel, würde man in sein Verderben stürzen.
Im Hof, in dem wir unseren Hofgang machten, stand das Wasser schon über drei Meter hoch, wir legten uns etwas unter die Füße, damit uns das Wasser nicht in den Mund hineinlief. Da hörten wir die Tür aufgehen, ein Wärter schwamm in die Zelle herein und befahl allen, sich bei den Händen zu fassen und mitzukommen. So ging das bis zum Morgengrauen, wir waren der Gefahr entgangen, aber das Wasser war immer noch nicht zurückgegangen.
Wir wurden bis zur Rückführungsstation gebracht, eine Zelle dort hatte etwa fünfzehn Quadratmeter, aber dort wurden über siebzig Personen hineingestopft. Wir klebten aneinander. Der Regen ließ nach, es klarte auf, als die sengende Hochsommersonne herauskam, stand die Zelle voll giftiger, heißer Dämpfe. Viele haben aus Sauerstoffmangel den Mund auf und zu gemacht, wie Fische, es war schrecklich.
Am Nachmittag war das Wasser aus dem Untersuchungsgefängnis abgepumpt, wir sind in unsere alten Zellen zurück, alles war voll dünnem Schlamm, wir konnten nichts machen, wir wurden zu lausigen Fröschen – fanden uns damit ab und lebten weiter!
Kurz darauf kam von oben ein Beschluss, in dem mein Urteil bestätigt wurde und ich in das Arbeitslager im Provinzgefängnis Nr. 1 nach Nanchong-Stadt gebracht wurde.
Li Bifeng war in diesem Arbeitslager für mehr als ein Jahr, da er Gedichte schreiben konnte, hat er sich die Achtung einer Wärterin, die Gedichte liebte, verschafft und wurde zum Verkauf kleiner Waren eingeteilt, was seine Tage besser machte. Außerdem hat er Yang Wei kennengelernt, einen Kampfgenossen von der Demokratiebewegung. Er erzählt: »Yang Wei war damals noch keine zwanzig, er war für das Materiallager zuständig, doch zu meiner Überraschung stopfte er in die Lammlederhandschuhe, die im Gefängnis hergestellt wurden, Papier, um darauf aufmerksam zu machen, dass das Produkte aus einem Arbeitslager waren; er hoffte, dann würden die Kunden sie nicht kaufen. Das Ende vom Lied war, eine Warensendung im Wert von zwei Millionen Yuan wurde vom Hongkonger Markt zurückgeschickt. Für die Gefängnisleitung war es ein Leichtes, den Verräter zu finden, sie ärgerten sich schwarz und haben Yang Wei ein paar Tage und ein paar Nächte lang den Kopf nach unten aufgehängt.«
Im Oktober 1992 wurden unter anderen Li Bifeng und Yang Wei in das Gefängnis Nr. 3 im Kreis Dazhu im Osten von Sichuan verlegt. Es dauerte nicht lange, bis auch ich vom Gefängnis Nr. 2 in den Außenbezirken von Chongqing hierhin verlegt wurde. Daraufhin wurde der Kreis der Leidensgenossen vom 4 . Juni auf einen Schlag immer größer, von allen Ecken Sichuans kamen nach und nach über zwanzig und wurden hier in der zweiten Gruppe konzentriert gehalten.
Die zweite Gruppe hatte gut ein Dutzend Zellen im Erd- und im Untergeschoss, dazu kam ein Innenhof, so groß wie ein Basketballfeld, aber hier
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