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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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schleifen mich in das Dorf. Nun rate, was geschehen war! Ausgerechnet Landsleute aus Sichuan haben mich gefangen, ein paar von den gebildeten Jugendlichen aus Chongqing, die in den siebziger Jahren heimlich über die Grenze sind, um bei der Kommunistischen Volksarmee von Myanmar mitzumachen. Damals hat diese Volksarmee mit der Unterstützung von China gegen die Regierungsarmee einen Partisanenkampf geführt, deshalb mussten sie mich zurückschicken, obwohl sie Landsleute waren.
    Jedes Bitteln und Betteln war zwecklos, diese Leute, ich habe dir das ja schon erzählt und du hast es in einem deiner Bücher beschrieben – diese Leute sind mit mir durch die Dörfer in Myanmar und haben mich, an Händen und Füßen gefesselt, der Grenzpolizei übergeben. Sie haben mir die Fesseln abgenommen, und acht bewaffnete Polizisten haben sich mit gespreizten Beinen vor mir aufgebaut, und mir wurde befohlen, durch diesen Tunnel hindurchzukriechen. Ich tat das nicht, da hat mir der Revierleiter einen Tritt versetzt, dass ich nur so durch die Luft geflogen bin, mindestens ein paar Meter, und dann bin ich auf der Schnauze gelandet, wie ein Hund, der Scheiße frisst. Ich spürte einen heftigen Schmerz in der Hose – das war der Anfang von meinen Bruchbeschwerden, wenn es im Sommer abkühlt, kommt da bei der geringsten Unachtsamkeit eine große Walze heraus.
    Es hat nicht viel gefehlt und sie hätten mich totgeschlagen. Anschließend hat die Wache einen Traktor gemietet, mich mit beiden Händen an einem langen Seil daran festgebunden und so hinter sich hergezogen. Mein Gesicht war schon ganz deformiert, die Kleider waren zerrissen; so haben sie ihren »Sklaven« nach Jinghong zurückgebracht und in das Untersuchungsgefängnis gesteckt. Ich wurde bei der Vernehmung gefragt: »Wie viele Armeefahrzeuge haben Sie angezündet? Wie viele Soldaten der Volksbefreiungsarmee haben Sie getötet? Haben Sie etwas gestohlen?«
    Ich verneinte das alles, da verspotteten sie mich: »Na und warum sind Sie dann über die Grenze abgehauen?«
    Ich hatte noch immer meinen Standardsatz: Ich bin Journalist, ich bin in das Grenzgebiet, um das Leben hier kennenzulernen und über die Menschen hier zu schreiben, ich habe mich verirrt und bin so aus Unachtsamkeit über die Grenze geraten. Sie haben meinen Journalistenausweis unter die Lupe genommen und mich dann zu meiner Überraschung freigelassen.
    In der Tasche hatte ich einen Yuan Entlassungsgeld, ich schlief in Jinghong auf der Straße, unter freiem Himmel, ich war in einer ausweglosen Lage, aber ich wagte nicht, mit irgendwem Kontakt aufzunehmen. Dem Myan-Tempel wagte ich mich nicht zu nähern, wenn der Mönch, unser Führer, aufgetaucht wäre, dann hätte ich ernstere Fragen beantworten müssen. Also habe ich mich wohl oder übel auf den Rückweg gemacht, bin über die große Mekong-Brücke, bin einen Tag und eine Nacht bis Simao gelaufen, bin dann einen langen Abhang hinauf und wieder hinunter, habe noch einen Tag gebraucht, bis ich in der Stadt Pu’er war. Mittlerweile hatte ich meinen Yuan ausgegeben, um mir etwas zu essen zu kaufen, und habe bei den Leuten um etwas zu trinken gebettelt; um etwas zu essen zu bitten, habe ich nicht über mich gebracht. Unterwegs gab es Mangos und Bananen, ich bin die Bäume nicht hochgekommen, konnte mir also nichts stehlen, habe Steine geworfen, war müde und lahm, aber Mangos sind keine heruntergekommen. Die Bananen waren herb, wenn man ein paar Bissen davon aß, wurde einem schwindlig. Ich hatte das Gefühl, mich zu vergiften, deshalb habe ich nicht gewagt, mehr davon zu essen. Als ich in Pu’er ankam, hätte ich keinen halben Schritt mehr weitergehen können, also wedelte ich mit meinem Journalistenausweis, hielt unverfroren einen Bus an und versprach hoch und heilig, in Kunming den doppelten und dreifachen Fahrpreis zu zahlen.
    So bin ich nach Kunming gekommen, habe meinen Kommilitonen gesucht und gefunden, der mir ohne weiteres eine Waschschüssel voll Nudeln aufgesetzt hat. Erst als ich die verschlungen hatte, hatte ich die Kraft, mir den Bauch reibend zu erzählen: »Keine Chance, dem Land zu dienen, und kein Ausweg, aus ihm zu fliehn, blieb mir nur, nach Haus zu gehen.« Mein Kommilitone hat mir auf der Stelle ein paar Zehn-Yuan-Scheine gegeben für eine Übernachtung und den Zug. Es war zehn Uhr abends, ich hatte gerade erst das Haus verlassen und war noch nicht weit gekommen, da standen auf einmal ein gutes Dutzend Beamte in Zivil vor mir.
    »Li

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