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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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der erwähnte Onkel an einer Gehirnblutung gestorben, und als wir seinen Nachlass ordneten, habe ich zu meiner Überraschung einen Brief entdeckt, den dessen Frau Cheng Wanli, sie hatte noch einmal geheiratet, am 9 . April 1980 an ihn geschickt hatte und in dem es hieß: »Im Mai 1950 haben der Leiter der Polizeistation von Xindu, ein Mann namens Hou, und ein Kader namens Du Leute geschickt, die hier Geld und eine Armbanduhr mitgenommen haben, vier Liang Gold, die Sachen, die Du mir einmal geschenkt hast, die Uhr hast Du in Chongqing für hundert Silberdollar gekauft. Was sie sonst noch mitgenommen haben, das müssten die Kader, die damals an dem Polizeirevier waren, eigentlich wissen. Das ist alles lang her, außerdem gibt es keinerlei Beweise, glücklicherweise dürfte es, wie ich denke, nicht schwierig sein, was Deine Sachen angeht, ein Verfahren anzustrengen. Ich habe Dir die Situation nur geschildert, aber ich kann das für Dich bezeugen.«
    LIAO YIWU:
    Ist das Haus Ihres Onkels auch untersucht worden?
    LAO WEI:
    Bei seinem persönlichen Hintergrund konnte das nicht ausbleiben, aber die Sachen, die beschlagnahmt wurden, sind anscheinend in keine Asservatenkammer gekommen, sondern in irgendwelche privaten Taschen gewandert. Aber dass nach dreißig Jahren seine Frau noch bereit war, für den entlassenen Kriegsverbrecher als Zeugin auszusagen, zeigt, dass die Erfahrung der Hausdurchsuchung und Beschlagnahme bei den Menschen noch tief in den Knochen steckt. Heute ist von der älteren Generation meiner Familie nur noch meine Mutter übrig, ich habe sie schon oft auf die Durchsuchungen damals angesprochen, aber sie hat mir keine Antwort gegeben.
    LIAO YIWU:
    Eine offene Rechnung, die wirr ist und den Menschen Angst macht.
    LAO WEI:
    Ein Glück, dass meine Familie einen Literaten wie mich hervorgebracht hat, der in seinen Schriften die verwischten Spuren festhalten kann. Mit der Kulturrevolution, ich war sieben, acht Jahre alt, fangen meine eigenen Erinnerungen an. Die Kulturrevolution war eine geistige Revolution, man verachtete materielle Güter, deshalb war das Hauptziel der Durchsuchungen außer der stinkenden Nummer neun, wie man damals die Intellektuellen diffamierte, alte und neue Bücher aus China und dem Ausland. Das Haus meines Vaters wurde durchsucht, weil er ein zu guter Lehrer war, vor allem weil er das berühmte Buch von Tao Zhu, der Dritte im Bunde auf der Liu-Shaoqi-Deng-Xiaoping-Linie,
Der Stil der Kiefer
lehrte, was schon etwas Einmaliges war. Daraufhin wurde er zu den reaktionären akademischen Autoritäten und schwarzen Elementen geschlagen, einer Kampfkritik unterzogen und musste täglich Geständnisse schreiben. Seinerzeit hatte mein Vater ein Einkommen von etwas mehr als fünfzig Yuan im Monat, damit musste er vier Kinder ernähren, deshalb hatte er keinerlei Ersparnisse, und als die Roten Garden unser Haus durchsuchten, waren sie in der Tat ehrlicher als die armen Leute und die Polizei kurz nach der Befreiung, sie haben zwar alles auf den Kopf gestellt, aber lediglich Vaters Bücher körbeweise aus dem Haus geschleppt, darunter eine Menge Lehrpläne und Vorbereitungsbücher für den Unterricht. Sie haben alles auf dem Sportplatz der Schule gesammelt und vernichtet, die feudalistischen, kapitalistischen und revisionistischen Bücher brannten fast eine Stunde lang. Anschließend, sie schmiedeten das Eisen, solange es heiß war, wurde eine Kampfkritikversammlung abgehalten, Vater wurde auf die Bühne gezerrt, ihm wurden, wie dem Schulleiter, dem Direktor und den anderen Rinderdämonen und Schlangengeistern auch, schwarze Schilder umgehängt, und sie mussten, den Oberkörper in einem Winkel von neunzig Grad geneigt, stehen. Während ich, ein klapperdürrer Junge, wie gelähmt in der Tür stand, an den Fingernägeln kaute und zusah, wie ein paar Rotgardisten in riesigen Schriftzeichen »Nieder mit XXX « an die Wand schrieben.
    LIAO YIWU:
    Vergleichbare Hausdurchsuchungen waren in der Kulturrevolution gang und gäbe, außer den Sachen von Mao Zedong und Lu Xun waren fast neunzig Prozent aller Bücher verboten. In Ihrem Buch
Der Sturz des heiligen Tempels
haben Sie beschrieben, wie das Haus des behinderten Sammlers Zhao Yifan durchsucht und er verhaftet worden ist: Am 28 . Januar 1975 hat eine große Gruppe von Beamten der Öffentlichen Sicherheit plötzlich sein Haus umstellt und im Haus des »Delinquenten« eine Menge »literarischer Beweismittel« konfisziert, nach den Aussagen von etlichen

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