Die Kugel und das Opium
. Juni jährte sich zum 20 . Mal, die »Gründung der Volksrepublik« zum 60 . Mal, jeder Weg und jeder Steg wurde abwechselnd von Staatssicherheit und Polizei gesichert, in dieser ausweglosen Situation mussten sie notgedrungen bis zum Winter warten, bis sie noch einmal zu dieser Adresse gehen konnten. Das zog sich dann bis zum Ende des Jahres hin, Ding Zilin ließ alles stehen und liegen und verabredete sich mit Zhang Xianling für den Vormittag um zehn Uhr an der U-Bahn-Haltestelle Jinsong, wo sie unbedingt aufeinander warten sollten. Wer hätte ahnen können, dass Ding Zilin, die zum ersten Mal mit der Linie 10 der U-Bahn fuhr, von der Weststadt bis in den Südosten einmal die halbe Stadt umfahren würde, so dass Zhang Xianling über eine halbe Stunde auf sie warten musste. So sind wir zusammen zur Familie Liu gekommen.
Bedauerlicherweise kamen wir zu spät, wir konnten den alten Liu nicht mehr sehen. Er war bereits im April 2009 an seiner Krankheit gestorben, weshalb die guten Zhous die Letzten waren, die ihn gesehen haben. Da die Zhous der Familie Liu bereits unser Kommen angekündigt hatten, haben sie seither ständig auf uns gewartet.
Als wir uns zum ersten Mal begegneten, war eine gewisse Verlegenheit unvermeidlich; man konnte sehen, dass sie unserem Besuch gegenüber noch einige Befürchtungen hatten. Als wir die Wohnung betraten, waren nur die alte Dame und ihr Ältester zu Hause. Wir plauderten und plauderten, als die alte Dame erfuhr, dass wir im gleichen Alter, dass wir alle im Jahr der Ratte geboren und nur gut ein halbes Jahr älter waren als Xianling, man also von Gleichaltrigkeit sprechen konnte, und wir alle unsere Mütter verloren hatten, überbrückte das die Distanz zwischen uns merklich. Wir erzählten ihr, dass die Söhne, die wir am 4 . Juni verloren hatten, beide auf die Mittelschule Nr. 2 gegangen waren, die alte Dame erzählte uns, dass der Sohn, den sie ihr ermordet hatten, damals 26 Jahre alt, bereits verheiratet gewesen sei und ein Kind gehabt habe, der Kleine, gerade ein Jahr alt, habe gerade Papa sagen können, und dieser Papa sei eines Abend weggegangen und nicht mehr wiedergekommen. Jetzt sei ihr Enkel mit seiner Mutter gegangen, aber glücklicherweise sehe er einmal im Jahr nach seiner Oma. Die alte Frau Liu schluchzte bei ihrer Erzählung so, dass sie kaum weitersprechen konnte, und ihre Augen röteten sich. Es war leicht zu sehen, dass die alte Dame eine herzensgute, typisch chinesische Frau war, die viel durchgemacht und hart gearbeitet hatte.
Mitten in unser Gespräch platzte der Jüngste der alten Dame herein. Zuvor hatte Zhang Xianling mit ihm zweimal telefoniert, weshalb sie sich jetzt, wo sie einander trafen, nicht fremd waren. Von der Art her war er viel gelassener als sein älterer Bruder, und er erzählte uns ein paar schmerzliche Geschichten aus der Vergangenheit. An diesem schrecklichen Abend vor zwanzig Jahren, dem 3 . Juni 1989 , hatte sich sein zweitältester Bruder nach dem Abendessen noch gewaschen und gemeint, er gehe mal sehen, was los sei, und komme dann zurück … Wer hätte ahnen können, dass, als er das Haus verließ …? Da er seine Papiere bei sich hatte, erhielt die Fabrik, in der er arbeitete, am 6 . oder 7 . Juni (seine Familie erinnerte sich nicht mehr genau) vom Beijinger Krankenhaus eine Nachricht, erst danach wurde die Familie informiert, sie solle den Leichnam im Krankenhaus abholen. Wieder jemand, der von einer Kugel in den Bauch getroffen worden war und für den jede Hilfe zu spät kam. Auf diese Weise war ein junges Leben für immer ausgelöscht worden. Was allerdings die Zeit, den Ort und die näheren Umstände seiner Ermordung anging, war bereits nichts mehr zu erfahren. Über das plötzliche Unglück hatte es über zwanzig Jahre lang keine offizielle Stellungnahme gegeben. Eine Familie, die in tiefer Bangigkeit ihre Tage verbrachte.
Und heute stand dieser Arbeiterfamilie neues Unheil ins Haus. Zwei bereits erwachsene Söhne in den besten Jahren waren von ihrer Fabrik freigesetzt und nach Dienstjahren abgefunden worden. Auf genauere Nachfrage erfuhren wir, dass sie für jedes Dienstjahr 1000 Yuan erhalten hatten, das machte für 20 Dienstjahre 20000 Yuan. Die Fabrik hat Konkurs angemeldet, ihr Gelände an Immobilienhändler verkauft, aber die Arbeitsstellen, von denen die Arbeiter abhängig waren, gab es nicht mehr, und diese lächerliche Abfindung reichte hinten und vorne nicht. Außerdem stand das Zuhause des Jüngsten vor dem
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