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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Xiao war sehr sanft, wir waren drei, vier Jahre verheiratet, ich war immer der Herr im Haus gewesen.
    Ich winkte nach einem Taxi, aber alle gaben Gas, als sie mich sahen. Am Ende hielt einer, die Beifahrertür ging auf, und der Fahrer ließ mich hinten einsteigen. Erst jetzt kam mir zu Bewusstsein, was für eine Fratze ich haben musste, dazu noch mein kahlgeschorener Schädel, ein Sträfling, wie er im Buche steht.
    Zu Hause angekommen, ging ich in die Wohnung und holte das Geld für das Taxi, der Drecksack von Fahrer immer hinter mir her. Als ich gezahlt und die Tür hinter ihm zugemacht hatte, saß Xiao Xiao mit dem Kind im Arm auf dem Stuhl und gab keinen Mucks von sich. Ich ging zu ihr hin, wollte sie umarmen und ihr Gesicht küssen, doch sie richtete sich auf, zeigte auf die frische Wäsche an der Seite und kommandierte: »Wasch dich erst einmal!«
    Wie eine Marionette ging ich ins Bad, einige lang vermisste, im Knast oft wiederholte, erregende Szenen verwandelten sich auf einmal in Seifenblasen. Trotzdem, nach ein paar Monaten ohne heißes Wasser einzutauchen, sich abzuschrubben – mein Frust ließ nach. Ich dachte, Xiao Xiao ist in Rage, dass ich so lange nicht da war und sie sich allein um das Kind kümmern musste.
    Am Abendessen fand ich keinen Geschmack, meine Augen schweiften vom Tisch ab, ich starrte sie die ganze Zeit an. Wie gern hätte ich sie in den Arm genommen! Wie gern hätte ich sie geküsst! Die größte, lange unterdrückte Sehnsucht eines Häftlings ist es, eine Nacht lang seine Frau im Arm zu halten, immer wieder mit ihr zu schlafen und ihr immer wieder das Herz auszuschütten. Aber Xiao Xiao war ganz ruhig, da regte sich nichts. Jedes Mal, wenn ich versuchte, die Grenzen zu überschreiten, hielt sie das Kind vor die Brust, wie eine Jeanne d’Arc, die ihren Schild nicht senken will.
    LIAO YIWU:
    Ich erinnere mich, dass dein Kind eigentlich bei deinen Schwiegereltern war.
    LI QI:
    Ich lehrte, sie ging zur Arbeit, wir hatten keine Zeit, uns um das Kind zu kümmern. In den 80 er Jahren waren die Löhne niedrig, ein Kindermädchen konnten wir uns nicht leisten, deshalb kam das Kind, als es abgestillt war, zur Mutter meiner Frau. Später habe ich erfahren, dass sie mit voller Absicht das Kind zurückgeholt hatte, um es gegen mich einzusetzen. Als es Nacht wurde und sie keinen Vorwand mehr hatte herumzutrödeln, sind wir wohl oder übel ins Bett gegangen. Das Kind schlief längst tief und fest, und ich sagte leise: »Bring Bingbing in sein Bettchen!« Doch sie sagte: »Nein!«, und legte das Kind zwischen uns.
    Fast hätte ich mich auf den Bauch geworfen und sie angefleht, aber sie blieb bei ihrem Nein. Sie löschte das Licht und legte sich hin, das Kind auf ihrem Unterarm trennte die rauchenden Leiber und Seelen wie ein Schützengraben. Ein um das andere Mal habe ich die Hand ausgestreckt, ihr Haar berührt, es um ihren Hals gewickelt, ihre Brüste gestreichelt, doch sie wich aus und sagte: »Erschreck Bingbing nicht!« Schließlich habe ich die Geduld verloren, mich aufgerichtet, habe den »Schützengraben« überquert und sie niedergedrückt. Wir kämpften lautlos miteinander, rollten vom Bett herunter, das Kind wurde wach und schrie nach seiner Mama, und sie rief unter mir immer wieder: »Bingbing, nicht weinen, braver Junge, nicht weinen!«
    Ich war scharf und ging aufs Ganze, ich nahm keine Rücksicht mehr, riss ihr die Kleider vom Leib und drang mit Gewalt in sie ein. Sie kam nicht hoch, also kniff sie mich, beschimpfte mich als Penner und fing an zu heulen. Scheiße, auf dem Bett kreischte das Kind, vor dem Bett heulte die Mutter, das verdarb mir die Lust. Ich hatte nicht erwartet, dass das Wiedersehen die Hölle sein würde und so voll – Sünde. Flüchtig kam es mir, ich schlug mir zweimal kräftig ins Gesicht und brüllte: »Was ist denn falsch an mir? Was ist denn falsch an mir?«
    Xiao Xiao sagte: »Nichts ist falsch an dir, der Fehler liegt bei mir und dem Kind, wir fallen dir zur Last, du kannst deine großen Pläne nicht verwirklichen.«
    Ich erklärte: »Ich wollte doch nicht in den Knast, ich wollte nicht von euch weg.«
    Sie sagte: »Ich habe genug von euch Poetenvolk! Ich bin eine ganz einfache Frau, ich bin spießig, wenn ich Geld sehe, kriege ich große Augen, ich will meine Ruhe haben. Wenn du dich daran stößt, dann geh auf der Stelle.«
    Ich sagte, ich gehe im Leben nicht. Ich fluchte und schwor, ich hätte nichts mehr gewollt in meinem Leben als eine Frau, ein Kind

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