Die Kultur der Reparatur (German Edition)
vorgeführt werden, nicht mehr sagen: „Was, das wollen Sie reparieren, das können Sie vergessen! Wir machen das nicht mehr.“ Stattdessen sollten Sie fordern: „Dieses Gerät habe ich in Ihrem Geschäft gekauft, und ich will es von Ihnen repariert haben.“ Immer mehr Menschen werden so handeln, und das wird unsere Gesellschaft zum Positiven verändern, da bin ich Optimist.
Auswege aus der Wachstumsspirale
Aufbruch in die Reparaturgesellschaft
Die Frage, was eine nachhaltige Verhaltensweise des Einzelnen für die gesamte Gesellschaft bedeutet, ist nicht einfach zu beantworten. Fühle ich mich nur besser, wenn ich versuche, ökologisch korrekt zu leben, indem ich zum Beispiel meinen CO 2 -Fußabdruck, den ich der Erde durch meine Verhaltensweise hinterlasse, minimiere? Kann ich dadurch die Erderwärmung verhindern, und schmelzen dann die Polkappen nicht mehr so schnell? Kann ich einfach den geschätzten gesamten CO 2 -Ausstoß der Erdbevölkerung durch die Zahl der Erdbewohner teilen und jedem Weltbürger sein Kontingent zur Verfügung stellen? Oder wäre das naiv, weil die Lebensweisen so unterschiedlich sind? Ein Eskimo ernährt sich schließlich anders und wird eine andere Heizenergie benötigen als ein Bürger Mitteleuropas. Auf der anderen Seite: Viele kleine Effekte, die jeder Einzelne für sich erzielen kann, verändern eine Gesellschaft insgesamt, auch weil die Industrie auf das Verhalten von Verbrauchern reagiert.
Das ist meine Hoffnung, dass die Kultur der Reparatur, begonnen in den Köpfen einzelner Menschen, zu einer Bewegung wird, die die gesamte Gesellschaft verändert. Die Zeit dafür ist reif.
Natürlich sind dabei auch Rückschläge zu verkraften. Als vor ein paar Jahren ein nach gesamtheitlichen Energie- und Ressourcenverbrauchskriterien erstelltes ökologisches Handy auf den Markt kam, wollte es kaum ein Verbraucher kaufen, weil es nicht chic genug war und über einige der als nötig erachteten Funktionen nicht verfügte. Man konnte damit eben nur telefonieren. Ein Flop für den Hersteller und ein Lehrstück, dass auch Eco-Design gut überlegt sein muss.
Wichtiger und von den Menschen eher akzeptiert scheint es mir zu sein, wieder verstärkt ein Design for Repair zu betreiben: das heißt, die Reparaturfähigkeit von Produkten wieder als wesentliches Wettbewerbskriterium in den Mittelpunkt zu stellen. Offene Systeme mit Mitmach- und Mitgestaltungscharakter wie Linux oder Produkte mit geplanter Reparaturmöglichkeit können da ein gutes Vorbild sein.
Von Sokrates soll der Satz stammen, dass ein Mangel an Moral in Wirklichkeit ein Mangel an Wissen sei. Für uns bedeutet das, dass die komplexen Zusammenhänge von Energie- und Ressourcenlage, ökologischen und ökonomischen Aspekten den Menschen bekannt sein müssen, sollen sie denn danach handeln. Nur dann kann man eine Veränderung der Lebensweise erwarten, die der Forderung genügt, heute so zu leben, dass eine Zukunft für die nächsten Generationen möglich ist. Und hier sind wir verhältnismäßig reichen Westeuropäer besonders gefragt.
Im Brundtland-Bericht zur nachhaltigen Entwicklung, der von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 herausgebracht wurde und bis heute in Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit als Grundlage genommen wird, drückte man es so aus: „Voraussetzung für nachhaltiges Handeln ist jedoch auch soziale Gerechtigkeit, denn von Menschen, die Armut und Unterernährung ausgesetzt sind, können nicht dieselben Beiträge zu einer Zukunftsgesellschaft verlangt werden wie vom gesättigten Westen, dessen Lebensstil angesichts der Begrenztheit der Erde sowieso nicht auf eine wachsende Erdbevölkerung übertragen werden kann. Trotzdem müssen wir Regelungsmechanismen finden, die uns umdenken helfen. Dazu gehören Marktkräfte genauso wie moralische Aspekte, wie emotionales Marketing und, ganz wichtig, neue Technologien.“
Über 25 Jahre alt und brandaktuell. Unter Marktkräfte fiele zum Beispiel, dass der Verkaufspreis eines Produkts langsam seinen wahren Wert widerspiegeln sollte. Dabei würdesich aus einer Gesamtbetrachtung sämtlichen Ressourcen- und Energieverbrauchs, aber auch der Reparatur- und Recyclingkosten in Bezug auf die Lebensdauer ein Produktpreis bilden. Das müsste langsam und schrittweise geschehen, auch sozial abgefedert, denn manche Produkte würden bei konsequenter Betrachtung für viele unbezahlbar. Denken wir nur daran, wie hoch der Verkaufspreis wäre, würde man die zur Herstellung
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