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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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der Tatsache, dass alles verkalkt war, blieb mir keine weitere Möglichkeit, als durch den Komplettausbau von Heber, Schwimmer und Einlassmechanismus dem Fehler auf dem Leib zu rücken. Step by step, sagte ich mir, meinen eigenen Prinzipien folgend. So wie man überlegt, ob es an der Glühbirne, am Stecker oder am Kabel liegt oder die Spannungsversorgung der Steckdose nicht gewährleistet ist, wenn eine Lampe nicht mehr brennt.
    Um nun nach diesem Prinzip vorzugehen, musste ich in den Spülkasten hineinlangen, der so eng war, dass ich mit meinen Fingern nicht richtig greifen konnte und mir einige Schrammen zuzog. Nach etlichen Mühen hatte ich dann das Innere des Spülkastens zerlegt, was aber auch bedeutete, dass wir auf eine andere Toilette ausweichen mussten. Die Familie sagte: „Na, nun mach mal voran. Du kannst dir das jetzt nicht ein halbes Jahr angucken.“
    In diesem Fall lernte ich eine Reparatur unter Druck auszuführen, gewissermaßen unter Familiendruck.
    „Langsam musst du aber kapiert haben, wie der Kasten funktioniert. Oder soll ich nicht doch besser den Klempner holen?“, bekam ich noch zu hören.
    „Nein“, erwiderte ich vehement. „Mein Ehrgeiz ist geweckt. Da kommt mir kein Handwerker ins Haus.“
    Ich zog mich an und fuhr mit dem Fahrrad zu einem Geschäft, das auf Sanitäranlagen spezialisiert ist, mit dabei ein Teil aus dem Wasserkasten, von dem ich annahm, dass es ausgetauscht werden müsste. „Das führen wir nicht. Wo haben Sie das denn her?“, lautete der trockene Kommentar des Verkäufers.
    „Aus dem Wasserkasten meiner Toilette“, erwiderte ich.
    „Das muss aber ein olles Ding sein. Was ist das denn überhaupt für ein Modell?“
    „Das kann ich Ihnen nicht sagen.“
    „Ja, ohne Modellbezeichnung kann ich gar nichts machen.“
    Also fuhr ich zurück nach Hause, versuchte die erwartungsvollen Blicke meiner Familienmitglieder zu ignorieren und stürmte sofort ins Bad, um nach dieser kryptischen Nummer zu fahnden, die irgendwo im Spülkasten zu finden sein musste. Zum Glück fand ich sie auch und schrieb sie mir auf, damit ich sie ja nicht vergaß.
    Wieder setzte ich mich auf meinen Drahtesel und eilte in den Laden, um dem Verkäufer die Modellnummer meines Wasserkastens freudig mitzuteilen.
    Er schaute mich skeptisch an, nachdem ich die Zahlen heruntergerasselt hatte. Dann sagte er: „Das Modell ist mir schon bekannt, und ich kann versuchen, das Teil auch zu bestellen, aber ich kann nicht garantieren, dass es noch zu bekommen ist. Und wenn, dann müssen Sie mit einigen Tagen rechnen, bevor es geliefert wird.“
    „Und was mache ich da, wir brauchen die Toilette doch?“, fragte ich schockiert.
    „Schneller geht es, wenn Sie den alten Kasten raushauen und einen neuen einsetzen.“
    „Aber dann gehen doch die Fliesen kaputt.“
    „Freilich, dann gehen die Fliesen kaputt. Da müssten Sie schon das Bad neu machen.“
    „So was kann doch locker ein paar tausend Euro kosten.“
    „Richtig, aber dafür haben Sie ein neues Bad. Wollten Sie nicht schon immer ein neues Bad haben?“
    „Nein.“
    Mit dieser definitiven Aussage verließ ich den Sanitärbedarfsladen. Auf dem Rückweg nach Hause überlegte ich fieberhaft, was ich tun konnte. Mir fiel nur eine Möglichkeit ein, die ich schon mehrmals erfolgreich zu Rate gezogen hatte: das Internet!
    Irgendwo musste ich, der Laie, doch im digitalen Netz einen Hinweis finden, wie ich an dieses Ersatzteil kommen konnte. Und so war es auch. Ich entdeckte eine Liste, in der exakt mein gewünschtes Modell aufgeführt war. Perfekt. Frau und Tochter murrten, weil sie nun weiterhin die Gästetoilette benutzen mussten, aber ich versprach, dass mit der nächsten Paketpost die Lösung aller Spülwasserkastenprobleme nahen würde.
    Und tatsächlich: Schon am nächsten Tag konnte ich das Teil in Händen halten und einmontieren. Ich tat mein Bestes – und siehe da: Das tropfende Wasser stoppte, die braunen Ablagerungen, die durch das ständig laufende Rostkalkwasser entstanden waren, würden nun verschwinden. Stolz wurden Frau und Tochter gerufen: Ich zeigte die ausgebauten und total verkalkten Rohr- und Abdichtteile und führte das vollendete funktionierende Werk vor. Meine erste Toilette war repariert.
    Die Familie nickte anerkennend.
    Ich strahlte. Es war großartig. Es war zwar ein vielleicht triviales, nichtsdestotrotz aber wichtiges Reparaturerlebnis, weil ich nun, anders als beim Austausch von nur einem Teil, zum Beispiel einer Dichtung, ein

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