Die Kunst, anders zu leben
Ersparnisse, die er für seinen Ruhestand zurückgelegt hatte, von seinem Konto ab und begab sich auf eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten – mit dem Fahrrad. Zuerst fragten ihn alle Leute, ob er verrückt geworden sei. Und unterwegs wurde er immer wieder angesprochen: »Tun Sie das, um Geld für einen wohltätigen Zweck zu sammeln?«
Hätte Bernard diese Frage mit Ja beantwortet, dann hätten wohl die meisten Leute mit dem Kopf genickt und ihre Neugier wäre zumindest teilweise befriedigt gewesen. Normalerweise wird es akzeptiert (wenn auch nicht unbedingt immer verstanden), dass jemand etwas Unkonventionelles zum Nutzen anderer Menschen tut. Doch Bernard sammelte gar kein Geld für wohltätige Zwecke, und er strampelte auch nicht mit dem Fahrrad quer durch Amerika, um den Leuten irgendetwas bewusst zu machen. »Nein«, sagte er wahrheitsgemäß, wenn man ihn danach fragte. »Ich tue das einfach nur für mich.«
Die Idee, sich auf eine zeitlich unbegrenzte Fahrradtour zu begeben, war Bernard nach einer Reihe aufrüttelnder Erlebnisse gekommen. Einige Zeit zuvor war die Beziehung zu seiner Freundin in die Brüche gegangen, mit der er sieben Jahre lang zusammen gewesen war; kurz nach dieser schmerzhaften Trennung war sein Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen. Eines Tages dachte Bernard während eines langen Spaziergangs über diese Ereignisse nach, und da kam ihm die spontane Idee: »Ich sollte mein Leben in New York hinter mir lassen und mit dem Rad quer durch Amerika fahren.«
Dieser Gedanke ließ ihn von da an nicht mehr los, und statt ihn beiseitezuschieben, beschloss Bernard, ihn in die Tat umzusetzen. Also kündigte er seine Stelle und seine Wohnung, kaufte sich ein Fahrrad und fuhr los, ohne jede Gewissheit darüber, was geschehen würde, wenn er diese lange Tour hinter sich hatte. Die ersten Tage waren eine Tortur; doch nach einer Weile gewöhnte er sich daran, den ganzen Tag mit dem Fahrrad unterwegs zu sein und sich abends irgendein Quartier für die Nacht zu suchen.
Das große Vergnügen im Leben besteht darin, Dinge zu tun, die einem die anderen nicht zutrauen.
WALTER BAGEHOT
Nach dieser Reise zog Bernard nach Chicago, schlug eine neue berufliche Laufbahn ein und ging weiterhin jeden Sommer auf Reisen. Er war jetzt von einem Gefühl der Unbesiegbarkeit erfüllt und erklärte den Lesern seines Online-Tagebuchs, seine Radtour quer durch die USA habe ohne Übertreibung »mein Leben für immer verändert, denn sie ermöglichte es mir, mein volles Potenzial zu verwirklichen und mein wahres Ich zu entdecken«. 2
So finden Sie heraus, was Sie wirklich wollen
In diesem Buch werden wir uns immer wieder damit beschäftigen, wie eng unser Leben mit dem unserer Mitmenschen verknüpft ist. Gemeinsam mit mir werden Sie sich Gedanken darüber machen, wie manche dieser Leute auf Sie zählen und wie Sie das Leben aller Menschen auf der ganzen Welt verbessern können. Doch auf den folgenden Seiten geht es um etwas ganz anderes. Im ersten Teil dieses Kapitels möchte ich nämlich auf Ihre persönlichen Ziele und Bedürfnisse eingehen.
Ich bin überzeugt davon, dass es wichtig ist, anderen Menschen zu helfen, aber andererseits bin ich auch überzeugter Verfechter eines kompromisslosen Individualismus. Ich glaube fest daran, dass an den verrückten Träumen und hochfliegenden Ideen, die wir haben, wenn wir jung sind, mehr dran ist als bloße Fantasterei. Natürlich geht es im Leben nicht nur um Sie – aber es ist trotzdem nichts Falsches daran, irgendetwas ausschließlich für sich selbst zu tun.
Ich zum Beispiel jogge gern stundenlang allein durch die Gegend, höre Musik und denke über meine Pläne und Projekte nach. Ich reise auch gerne allein quer durch die Welt und komme in irgendeiner Stadt an, ohne dort besondere Pläne oder Verpflichtungen zu haben. Manche Menschen bezeichnen das als Egoismus, aber ich habe das Gefühl, dass die Antwort nicht ganz so einfach ist. Denn ich weiß: Ohne die Energie, die ich dadurch gewinne, einfach nur ich selbst zu sein, könnte ich anderen Menschen nicht viel nützen.
Ihre Träume und großen Ideen gehören einzig und allein Ihnen; Sie brauchen sie niemandem gegenüber zu rechtfertigen und sich auch nicht dafür zu entschuldigen. Wenn Sie bereits genau wissen, welche Träume und Ideen Ihr Herz höher schlagen lassen, umso besser – dann haben Sie bereits die Hälfte des Weges hinter sich. Doch die meisten Menschen brauchen erst einmal ein bisschen Zeit,
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