Die Kunst, anders zu leben
erhielt Susan auch Bewerbungsschreiben von Unternehmen in Boston, San Francisco, Toronto, Nashville, Austin, Chicago und New York.
Paradoxerweise (oder vielleicht auch nicht) kam die interessanteste Bewerbung, die sie erhielt, von einem Unternehmen, das zu jenem Zeitpunkt eigentlich gar nicht vorgehabt hatte, einen neuen Mitarbeiter einzustellen. Das Topmanagement dieses Unternehmens spielte zwar schon seit Längerem mit dem Gedanken, einen neuen Marketingexperten zu engagieren, doch bevor sie von Susans Chefsuche-Projekt hörten, hatten sie eigentlich nicht beabsichtigt, diese Stelle sofort zu besetzen.
Obwohl Susan so effizient arbeitet, war ihr Erfolg nicht ausschließlich auf ihre Fähigkeit zurückzuführen, innerhalb kurzer Zeit Berge von Arbeit zu erledigen. Wenn sich auf jede freie Stelle 300 Leute bewerben, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, um sich von den übrigen Kandidaten abzuheben. Susans Erfolg rührte hauptsächlich daher, dass es ihr gelungen war, den Prozess der Jobsuche auf den Kopf zu stellen und die Sache zur Abwechslung einmal ganz anders anzugehen.
Ich verstehe die möglichen Einwände gegen Susans Vorbild: Nicht jeder kann eine eigene Webseite generieren und darin überzeugend darstellen, wie großartig er ist; außerdem ist das mittlerweile ja schon getan worden, also keine wirklich originelle Idee mehr; im Übrigen »würde so etwas in meiner Branche nie funktionieren« und so weiter. Doch als Susan ihr Projekt startete, hatten die Leute ihr ebenfalls prophezeit, dass es nicht funktionieren würde. Trotzdem ging sie das Wagnis ein, anders zu sein als alle anderen, und änderte so erfolgreich die Spielregeln des Bewerbungsprozesses – und das ausgerechnet am Tiefpunkt der Wirtschaftskrise, als die Arbeitslosenquote in den USA beinahe zehn Prozent betrug.
Bekenntnisse eines unkonventionellen Unternehmers: Meine eigene Lebensgeschichte
Ich hatte eine schlechtere Ausgangsposition als Allan und Susan, wenn es darum geht, die Spielregeln des Arbeitslebens neu zu definieren. Denn ehrlich gesagt, brachte ich für keinen der traditionellen Berufe irgendwelche besonderen Qualifikationen mit, und bei den paar Teilzeitjobs, die ich gehabt hatte, bevor ich mich im Alter von 20 Jahren selbstständig machte, hatte ich auch nicht gerade mit Bravour abgeschnitten.
Wie bereits in Kapitel 1 dieses Buches berichtet, habe ich bisher noch kein Millionen-Euro-Unternehmen aufgebaut. Aber es ist mir stets gelungen, auf selbstständiger Basis zu überleben – koste es, was es wolle. Im Lauf der Zeit entwickelte ich eine besondere Wertschätzung für das Unternehmertum, weil man als Unternehmer in der Welt sehr viel Gutes bewirken kann – doch anfangs ging es mir hauptsächlich darum, jeden Monat meine Miete bezahlen zu können.
Sicherlich kennen auch Sie die bekannte Redensart, dass ein Unternehmer 24 Stunden pro Tag für sich selbst arbeitet, nur weil er keine Lust hat, eine Stunde am Tag für jemand anderen zu arbeiten. Das ist tatsächlich eine gute Beschreibung meiner Arbeitsweise während einiger Jahre. In diesen ersten Jahren meiner Selbstständigkeit schuf ich keinerlei nachhaltige Infrastruktur für meine Arbeit – ich machte alles selbst. Und wenn ich einmal keine Lust hatte, etwas zu tun, blieb die Arbeit eben einfach liegen.
Ich gebe ja selbst zu, dass das nicht gerade das intelligenteste Geschäftsmodell ist, und deshalb will ich es auch nicht unbedingt verteidigen. Doch in meinen ersten Jahren funktionierte es ganz gut. Damals war ich mit anderen Dingen beschäftigt – meinem vierjährigen Afrikaaufenthalt, der Musik, die ich abends machte, mit meinen Reisen, meinem Studium und so weiter. Meine selbstständigen Tätigkeiten machten mich zwar nicht gerade reich, aber ich hatte genügend Geld, um fast alles tun zu können, was ich wollte. Sobald ich genügend Kohle für den Monat beisammen hatte, machte ich mir erst im folgenden Monat wieder Gedanken ums Geldverdienen.
Auch nach meinem Umzug nach Übersee hielt ich mich mit selbstständigen Nebenbeschäftigungen über Wasser, zum Beispiel mit einer Beratertätigkeit, die ich über Google Adwords annoncierte; außerdem gestaltete ich Webseiten für Kunden in den USA und Europa. Anfangs nahm diese Arbeit nur ein paar Stunden pro Woche in Anspruch, doch in meinem dritten Jahr in Afrika schlug ein neuer Online-Sachbuchverlag, den ich in der Zeit eines meiner Heimaturlaube gegründet hatte, plötzlich ein wie eine
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