Die Kunst, anders zu leben
Selbststudium versäumt man »die Erfahrung«, zusammen mit anderen Studenten in Seminaren und Vorlesungen zu sitzen und sie auf dem Campus zu treffen, und man lernt auch die Lehrkräfte nicht kennen. Ich will mich bemühen, auf diese drei Einwände zu antworten.
Kein Blatt Papier. Natürlich erhalten Sie bei einem Selbststudium am Ende kein hübsches Blatt Papier als äußere Anerkennung Ihrer Leistungen. Wenn ein Blatt Papier an der Wand und ein paar Extra-Buchstaben in Ihrem Lebenslauf Sie so sehr motivieren, dass Sie bereit sind, dafür ein oder mehrere Jahre Ihres Lebens zu opfern, dann sollten Sie wohl tatsächlich lieber an einer traditionellen Institution studieren. Wenn nicht, dann verzichten Sie auf die Papiere und sparen Sie sich die Lebensjahre, die Sie für ein konventionelles Studium investieren müssten.
Keine Unterstützung beim Aufbau einer beruflichen Karriere. Mein Magisterabschluss hat mich 25 000 Euro gekostet, und in diesem Preis war praktisch keine Hilfestellung für meine weitere berufliche Karriere enthalten. Das hat mich nicht weiter gestört, weil ich ohnehin selbstständig bin, doch einige meiner Mitstudenten, die mehr erwartet hatten, waren enttäuscht. Wenn Sie sich dennoch für ein Studium entscheiden, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, welche Unterstützung bei der Planung Ihrer Karriere Sie am Ende Ihres Studiums zu erwarten haben. Dass es an einer Universität eine Berufsberatungsstelle gibt, bedeutet noch lange nicht, dass man dort mehr für Sie tun wird, als Ihnen ein paar Webseiten von Unternehmen zu nennen, die Mitarbeiter suchen, oder ein paar Personalvermittler an die Uni einzuladen.
Die »Erfahrung«. Der letzte Einwand gegen ein Selbststudium lautet, dass man, wenn man nicht gemeinsam mit anderen Studenten ein strukturiertes Programm durchläuft, die kollektive Erfahrung der Zusammenarbeit mit anderen und des Voneinander-Lernens versäumt. Ich denke, dieser Einwand ist tatsächlich nicht ganz unberechtigt. Obwohl die meisten akademischen Verpflichtungen, denen ich während meines Studiums nachkommen musste, lediglich dazu dienten, das System am Laufen zu halten, haben einige dieser Aktivitäten mir einfach nur deshalb Spaß gemacht, weil andere Leute mit den gleichen Dingen beschäftigt waren. Ich genoss es auch, neue Menschen kennenzulernen, mit denen ich durch diese gemeinsamen Verpflichtungen eng zusammenwuchs; und ab und zu habe ich auch von den Lehrkräften etwas gelernt.
Daher glaube ich, dass man sich zu diesem Thema zwei wichtige Fragen stellen muss. »Wie viel ist diese Erfahrung wert?« und »Kann ich sie mir auch auf andere Weise beschaffen?«. Die erste Frage ist etwas sehr Persönliches (jeder wird sie anders beantworten), aber für mich war die Erfahrung wohl tatsächlich die Summe wert, die ich dafür ausgegeben habe, auch wenn ich es zurzeit nicht für notwendig halte, noch mehr Geld in ein Studium zu investieren. Obwohl ich mit meiner Karriere als Autor wahrscheinlich sehr viel erfolgreicher sein werde als in einer konventionellen beruflichen Laufbahn, die auf einem Universitätsabschluss aufbaut, tut es mir nicht leid, die 25 000 Euro dafür bezahlt zu haben.
Seitdem habe ich jedoch viele verschiedene großartige Erfahrungen gemacht, die weitaus weniger kosteten. Obwohl ich von Natur aus eigentlich eher introvertiert bin, habe ich zu Tausenden gleichgesinnten Menschen auf der ganzen Welt Kontakt bekommen. Die meisten dieser Kontakte fanden anfangs nur über das Internet statt, doch wenn ich diesen Leuten dann persönlich begegnete, setzten wir unseren Gedankenaustausch normalerweise genau an dem Punkt fort, wo wir ihn bei unserem letzten Online-Kontakt beendet hatten. Von Bangkok bis Minneapolis habe ich bisher in mindestens 20 Städten persönlich Kontakt zu meinen Lesern aufgenommen. Wenn ich nach New York, Los Angeles, Vancouver oder auch in irgendeine kleinere Stadt fahre, gibt es immer ein paar Leute, mit denen ich mich treffen kann.
Mit anderen Worten: Ich habe einen Weg gefunden, der Arbeit nachzugehen, die mir Freude macht, und dabei trotzdem eine Vielfalt sozialer Kontakte zu genießen – mit dem positiven Nebeneffekt, dass ich für diese Erfahrung nicht 6000 Euro oder noch mehr pro Semester bezahlen muss. Auf diese Weise bleibt mir mehr Geld für Dinge übrig, die mir wirklich wichtig sind. Auf dieses Thema werde ich in den Kapiteln 8 und 10 noch näher eingehen.
Es ist Ihr Leben
Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, viel Zeit und
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