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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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Machtgehabt hätte, es anders zu machen oder eben zu lassen. Es spielt auch ein Sicherheits- und Beziehungsbedürfnis mit. Man will etwas sichern und fühlt sich dadurch nicht ohnmächtig. Und man steht mit dieser Person noch in Verbindung und könnte die Beziehung allenfalls noch bestimmen oder sogar retten.
    In der Folge unterscheiden wir nach Hirsch vier Formen von Schuldgefühlen. 29

    Grundschuldgefühl
Es ist ein grundsätzliches existentielles Phänomen, Mensch zu sein, zu existieren und in möglichen Verstrickungen mit Eltern und anderen Menschen ein Leben lang schuldig zu werden.
    Ein Kind sagt zur Mutter: »Entschuldige, dass ich geboren bin. Du hast mich ja nicht gewollt.« Jemand erzählt: »Meine Eltern haben heiraten müssen.« Oder: »Meine Mutter ist an meiner Geburt fast gestorben.« Oder: »Ich bin ein unerwünschtes Kind. Mich sollte es eigentlich nicht geben.«
    Weitere Beispiele: Ein Kind wird zum Ersatz für den fehlenden Partner. Ein Kind ist nicht das richtige Kind. Ein Kind hat nicht das richtige Geschlecht. Ein Kind ist ein Ersatzkind für ein abgetriebenes oder verstorbenes Kind. Es gibt Familiengeheimnisse: um die richtigen Väter, um abgetriebene oder verstorbene Kinder, um depressive (innerlich tote) Mütter, um Übergriffe auf das Kind, um Süchte, Todesfälle und Selbstmord in der Familie. Solche Geheimnisse werden oft in Therapien mit Erwachsenen zum Thema.

    Schuldgefühl aus Vitalität
Ein lebhaftes, vitales Kind fühlt sich schuldig, wenn seine Lebendigkeit von der familiären Umgebung nicht wohlwollend und anerkennend unterstützt wird. Es ist dann nicht »richtig«, genügt den Erwartungen der Eltern nicht und erlebt dies als schuldhaft. Ein Kind kann elterliche Sorgen, Belastungen und Depressionen noch nicht verstehen, es kann sie aber sehr wohl fühlen. Es gibt weitere Gründe, dieSchuldgefühle aus Vitalität erzeugen können, zum Beispiel ist es für ein gesundes Kind eine große Hypothek, kranke bzw. behinderte Geschwister oder/und Eltern zu haben.
    Ähnlich ist der Fall bei depressiven Eltern bzw. einer depressiven Mutter oder einem depressiven Vater. Ein Kind, das sich entfalten und sich entwickeln will, kann in emotional eingeschränkten Verhältnissen in seiner Entwicklung stehen bleiben. Die mangelnde Resonanz erzeugt eine innerliche Leere, die das weitere Leben zu prägen vermag. Es gibt ein Überlebensschuldgefühl bei Todesfällen in der Familie: Darf man weiterleben, wenn eine wichtige Bezugsperson gestorben ist? Was ist Leben nach so viel Tod? Es ist eine Schuld der Unschuld.
    Oft setzt sich das Thema im Erwachsenenalter fort: vitaler und lebenshungriger zu sein als der Partner, die Partnerin lässt Schuldgefühle entstehen. Eigene Liebhabereien zu pflegen, einen Liebhaber, eine Liebhaberin bzw. eine Außenbeziehung zu haben lässt manifest oder latent ein Schuldgefühl aus Vitalität entstehen.

    Trennungsschuldgefühl
Das Trennungsschuldgefühl ist eine Ausprägung des grundsätzlichsten unserer menschlichen Konflikte: des Abhängigkeits- und Autonomiekonfliktes. Die Autonomiebestrebungen des Kindes sind in allen Lebensaltern mit Schuldgefühlen verbunden, da Loslösung als Aggression gegen und als Bedrohung der Eltern erlebt werden kann. Weiter fallen Arbeitsstörungen und Prüfungsängste unter das Trennungsschuldgefühl, weil sie letztlich – dadurch, dass man Erfolg hat, selbständig wird – aus der Familie hinausführen. Dasselbe betrifft die sexuellen Bedürfnisse der Jugendlichen. Ablösungsprobleme von den Eltern haben meist mit Trennungsschuldgefühlen zu tun. Glücklich und erfolgreich und selbständig sein wollen bedeutet Trennung von der Herkunftsfamilie. Solche Schuldgefühle können unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben werden und sind insofern anerzogen.Sie können ein Leben lang quälende Begleiter sein und Wachstums- und Entwicklungsprozesse beeinträchtigen. Bei psychischen Störungen können diese Schuldgefühle ins Pathologische kippen. Das Pendeln zwischen Abhängigkeit und Autonomie gehört auch zu erwachsenen Beziehungen, insbesondere zur Paarbeziehung. Wirkt das Trennungsschuldgefühl von der Kindheit her als eine Einschränkung, können erwachsene Beziehungen nicht oder nur schwer beendet werden.

    Traumatisches Schuldgefühl
Schwere Übergriffs- und Gewalterfahrungen im frühen Alter überwältigen ein Kind, zerbrechen seine Abwehr und hinterlassen in ihm eine innere Leere, in der Fremdes, vom Täter Verursachtes

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