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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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anderen zögern das Weggehen hinaus, sammeln Adressen und Telefonnummern oder müssen gar zum Gehen aufgefordert werden. Wieder andere verabschieden sich und gehen weg, unauffällig, einfach. Wohl jede Seminarleitung wünscht sich Letzteres. In den vorgezogenen oder hinausgezögerten Gesten formieren sich Muster von Vermeidung, Ambivalenz und Widerstand in eigenmächtigem Handeln, das den gegebenen Rahmen unbewusst oder bewusst sprengt. In diesem Verhalten äußern sich die Schwierigkeiten mit realen Trennungssituationen. Sachzwänge bzw. Entschuldigungen dafür sind in der Regel Ausreden.
    Berufliches Scheitern kann immer und überall geschehen. Insbesondere in der Beratungs- und Therapietätigkeit mit Menschen, die sich selbst als gescheitert bezeichnen, kann sich ein Scheitern wiederholen – bei allem Wissen, aller Vorsicht und aller Geduld. Oder ein Patient verletzt sich oder bringt sich um. In der Folge gilt es, die Konfrontation mit vielleicht unüberwindbar scheinenden Schuldgefühlen und unverarbeitbarem Schmerz und die Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten auszuhalten. Das ist nicht leicht. Nun heißt es, sich diesen schwerwiegenden Gefühlen und den unvermeidlichen Fragen zu stellen, um das Verlorene zu trauern und sich mit dem Scheitern weitgehend zu versöhnen. Wenn man diesen Prozess innerlich beenden kann, dann kann es weitergehen.
    Es gibt eine treffende Anweisung, wie sich eine vortragende Person zu verhalten hat: »Überlege dir, was du zu sagen hast; sage es und beende den Vortrag, wenn du es gesagt hast.« Es gibt Rednerinnen und Redner, die chronisch die Vortragszeit überziehen und das Publikum zunehmendunruhig werden lassen. Gekonntes, prägnantes Beenden eines Referates setzt voraus, dass die vortragende Person ihre Botschaft auf den Punkt zu bringen und zu klären weiß. Vom Vortrag ist es nicht weit zum Schreiben eines Textes. Auch hier stellt sich die Frage, wann der Punkt erreicht ist, an dem das Wichtige geschrieben ist. Vorgaben von Herausgebern und Verlagen entschärfen diese Frage. Sie schränken möglicherweise eine eingehende und klärende Auseinandersetzung mit dem bewussten Beenden ein.
    Auch Seminare und Ausbildungen müssen beendet werden. Oft ist viel mit den Teilnehmern geschehen, so ist es wichtig, dass es ein gutes Beenden gibt. Ein Absolvent einer sechsjährigen Gruppenanalyse-Ausbildung erzählte, wie befreiend es für ihn gewesen sei, jedem Gruppenmitglied in den letzten Sitzungen ein Feedback zu geben und um ein solches zu bitten. Er hatte von früheren Erfahrungen in Gruppen gewusst, dass niemand ihm beim Beenden helfen würde. So musste er es selbst tun. Es war für ihn eine herausfordernde, nicht durchwegs angenehme, aber auch überraschende Verabschiedung.
    Beispiel : Am Ende einer Ausbildung für Kommunikationstraining wurde ein Trommelworkshop geboten. In einer mehrstündigen Trommelsitzung konnten sich die Absolventen voneinander und von ihren Kursleitern verabschieden, ohne Worte – eben mit Trommelschlägen, die in Lautstärke und Intensität gewählt werden konnten. Das war umso wichtiger, als drei Absolventen die Abschlussprüfung nicht bestanden hatten und ungemein enttäuscht bzw. wütend waren. Enttäuscht von sich oder von der Kursleitung? Wütend auf wen? Das wortlose, gestische Trommeln unter kundiger Anleitung war für die meisten etwas Neues. Sie mussten zuerst lernen, auf diese Art ihre Gefühle zu äußern und die Mitteilungen der anderen zu verstehen. Eine Absolventin hatte sich vorgenommen, mit jedem Einzelnen des Kurses und der Leitung ein kleines Trommelduo zu versuchen. Es war faszinierend, wie unterschiedlich lang, intensiv und gefühlsgeprägt jedes dieser Duos war. Und sie sagteabschließend, sie hätte sich nicht vorstellen können, ohne Worte so viele Gefühle auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die einen selbst stärke und die verstanden und entgegnet würde. 52
    Beenden im Beruf: Hier sollen die vielen Berufs- und Jobwechsel erwähnt werden, die heute üblich sind. Immer geht es um ein Beenden, um wieder anfangen zu können. Und je besser sich ein Beenden anfühlt, desto freier fühlt man sich für einen Neubeginn. Oft genügt es, das Beenden bewusst wahrzunehmen und das Alte mit einem Fest, mit einem Ritual, mit etwas Besinnlichem zu würdigen, zu ehren. Das macht frei für einen Wechsel.
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