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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Nagual auf sie einwirke. Don Juan versuchte es mit einer förmlichen Brautwerbung. Er wurde von ihren Eltern nicht gut aufgenommen, die sich einen Mann aus einer anderen sozialen Schicht nicht als Freier für ihre Tochter vorstellen konnten. Olinda war keine Indianerin. Ihre Familie gehörte zur städtischen Mittelschicht, sie besaßen ein kleines Geschäft. Der Vater hatte andere Pläne für seine Tochter. Er drohte sie fortzuschicken, falls Don Juan an seiner Absicht, sie zu heiraten, festhalten sollte.
    Don Juan sagte, daß Doppelwesen, besonders Frauen, außerordentlich konservativ, ja sogar ängstlich seien. Olinda machte da keine Ausnahme. Nach ihrer anfänglichen Begeisterung in der Kirche wurde sie von Bedenken und schließlich von Furcht heimgesucht. Ihre eigenen Reaktionen erschreckten sie.
    Nun verlangte Don Juans Wohltäter von ihm, daß er sich - als strategisches Manöver - den Anschein gab, als füge er sich seinem Vater, der mit dem Mädchen nicht einverstanden sei, was jedermann, der den Vorfall in der Kirche miterlebt hatte, einleuchten mochte. Die Leute tuschelten, Don Juan habe, indem er sich mit dem Mädchen einließ, seinen Vater so sehr verärgert, daß dieser, der doch ein so frommer Katholik war, nie wieder in die Kirche ging.
    Sein Wohltäter sagte zu Don Juan, daß ein Krieger sich nie in die Enge getrieben fühle. Sich in die Enge treiben zu lassen, das bedeute, daß man Charaktereigenschaften hat, die blockiert werden können. Ein Krieger hat nichts auf der Welt außer seiner Makellosigkeit, und Makellosigkeit kann nicht bedroht werden. In einem Kampf um Leben und Tod aber, wie Don Juan ihn nun führen mußte, um die Nagual-Frau zu gewinnen, sollte ein Krieger alle ihm verfügbaren Mittel strategisch einsetzen.
    Don Juan verstand die Ratschläge seines Wohltäters als eine Berechtigung, all sein Wissen eines Pirschers zu nutzen, um das Mädchen zu gewinnen. Zu diesem Zweck veranlaßte er Silvio Manuel, seine schon in diesem frühen Stadium ungeheuren Zauberkünste einzusetzen, um das Mädchen zu entführen. Silvio Manuel und Genaro, der ein waghalsiger Teufel war, schlichen sich, verkleidet als alte Waschfrauen, in das Haus des Mädchens.
    Es war Mittag, und alte im Hause waren emsig damit beschäftigt, die Speisen für eine große Versammlung von Verwandten und Freunden vorzubereiten, die zu Tisch geladen waren. Es sollte ein privates Abschiedsfest für Olinda werden. Silvio Manuel rechnete damit, daß die Leute im Haus, wenn sie zwei fremde Waschfrauen mit Kleiderbündeln kommen sahen, wohl
    annehmen würden, daß dies mit Olindas Abreise zusammenhing, und keinen Verdacht schöpfen würden. Don Juan hatte Silvio Manuel und Genaro alle nötigen Informationen über den Tageslauf der Mitglieder dieses Hauses gegeben. Er hatte ihnen gesagt, daß die Waschfrauen normalerweise ihre Bündel gewaschener Kleider ins Haus brachten und sie zum Bügeln in einem Lagerraum zurückließen. Silvio Manuel und Genaro, die ein großes Wäschebündel schleppten, gingen direkt in das Zimmer, wo Olinda sich gerade aufhielt.
    Don Juan erzählte, daß Silvio Manuel nun vor Olinda hintrat und seine hypnotischen Kräfte einsetzte, um sie in Ohnmacht zu versetzen. Sie steckten sie in einen Sack, dann umwickelten sie den Sack mit Bettlaken und gingen hinaus, wobei sie das mitgebrachte Bündel zurückließen.
    Unter der Tür stießen sie mit Olindas Vater zusammen. Er schenkte ihnen nicht einmal einen Blick.
    Don Juans Wohltäter war sehr empört über ihr Manöver. Er befahl Don Juan, das Mädchen sofort nach Hause zurückzubringen. Er sagte ihm, es sei ein zwingendes Gebot, daß die Doppelfrau aus eigenem freien Willen in das Haus des Wohltäters käme, vielleicht nicht eben mit der Vorstellung, sich ihm anzuschließen, aber doch gewiß auf der Suche nach etwas, das sie interessierte.
    Don Juan meinte, nun sei alles verloren. Die Wahrscheinlichkeit, noch einmal unbemerkt in das Haus zu gelangen, war allzu gering. Doch Silvio Manuel fand eine Lösung. Nachdem es nun einmal unmöglich war, sich noch einmal in das Haus des Mädchens zu schleichen, wie der Wohltäter es verlangt hatte, schlug er vor, die vier Frauen aus Don Juans Trupp sollten das Mädchen auf eine einsame Landstraße bringen, wo Don Juan sie retten sollte.
    Silvio Manuel verlangte, die Frauen sollten so tun, als seien sie vier Entführer, die jemandem, der sie verfolgte, zu entgehen trachteten. Irgendwo auf der Landstraße sollte der Verfolger sie

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