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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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ihrer selbst; folglich blieb ihnen als letzte Aufgabe, ein neues Paar von Doppelwesen zu finden. Don Juan sagte, daß sie zuerst geglaubt hatten, dies sei eine ganz einfache Angelegenheit. Alles andere war ihnen relativ leichtgefallen. Sie hatten keine Ahnung davon, daß die scheinbare Mühelosigkeit ihrer Errungenschaften als Krieger eine Folge der Meisterschaft und persönlichen Kraft ihres Wohltäters war.
    Die Suche nach einem neuen Paar von Doppelwesen war fruchtlos. Bei ihren Nachforschungen stießen sie nie auf eine doppelte Frau. Doppelte Männer fanden sie etliche Male, aber diese waren wohlhabend, sie waren geschäftige, tüchtige Leute und so zufrieden mit ihrem Leben, daß es zwecklos gewesen wäre, sie anzusprechen. Sie hatten es nicht nötig, einen Sinn des Lebens zu finden. Sie meinten ihn bereits gefunden zu haben.
    Eines Tages, so erzählte Don Juan, sei ihm klargeworden, daß er und die anderen Mitglieder seiner Gruppe alt wurden und anscheinend keine Hoffnung mehr hatten, jemals ihre Aufgabe zu erfüllen. Es war das erstemal, daß Don Juan und seine Kriegergefährten den Stachel der Verzweiflung und Ohnmacht spürten.
    Silvio Manuel beharrte darauf, sie sollten sich damit abfinden, makellos zu leben und nicht zu erwarten, jemals ihre Freiheit zu erlangen. Für Don Juan schien es plausibel, daß ihr Entschluß, ohne Erwartungen makellos zu leben, tatsächlich der Schlüssel zu allem anderen war. In dieser Hinsicht, so fand er, folgte er nur den Fußstapfen seines Wohltäters. Er begriff endlich, daß den Krieger an einem bestimmten Punkt seines Weges ein unüberwindlicher Pessimismus befällt.
    Ein Gefühl, geschlagen zu sein, oder genauer gesagt, ein Gefühl der Unwürdigkeit überkommt ihn beinah unverhofft. Don Juan erzählte, er habe immer über die Zweifel seines Wohltäters gelacht und nie glauben können, daß sein Wohltäter sich ernstlich Sorgen machte. Trotz der Einwände Silvio Manuels hielt Don Juan es stets für eine gigantische List, dazu bestimmt, sie irgend etwas zu lehren.
    Da er nicht glauben konnte, daß die Zweifel seines Wohltäters echt waren, konnte er auch nicht glauben, daß der Entschluß seines Wohltäters, ohne jede Hoffnung auf Freiheit makellos zu leben, eine Tatsache war. Als er endlich erkannte, daß sein Wohltäter sich allen Ernstes mit seinem Scheitern abgefunden hatte, dämmerte ihm auch, daß der Entschluß eines Kriegers, trotz allem makellos zu leben, keine Strategie sein kann, die man etwa befolgt, um sich des Erfolgs zu versichern. Don Juan und sein Trupp fanden diese Wahrheit eines Tages bestätigt, als sie einsehen mußten, daß die Widrigkeiten, die sich ihnen in den Weg stellten, wirklich erstaunlich waren. In solchen Augenblicken, so sagte Don Juan, gewinnt ein lebenslanges Training die Oberhand, und der Krieger tritt in einen Zustand unübertroffener Demut ein; dies ist der Moment, da die wahre Armut seiner menschlichen Mittel nicht mehr zu leugnen ist und dem Krieger nichts anderes übrigbleibt, als zurückzutreten und den Kopf zu senken.
    Don Juan konnte sich nicht genug darüber wundern, daß eine solche Erkenntnis in so gefährlicher Zeit keinerlei Wirkung auf die weiblichen Krieger eines Trupps zu haben schien; es war, als ließe die Wirrnis sie ungerührt. Don Juan erzählte uns, er habe bereits an den Frauen aus dem Trupp seines Wohltäters beobachtet, daß sie niemals so besorgt und deprimiert über ihr Schicksal waren wie die Männer. Die Frauen, so schien es, folgten einfach Don Juans Wohltäter und pflichteten ihm bei, ohne irgendwelche emotionalen Anzeichen von Angst und Sorge zu zeigen. Es kam Don Juan so vor, als wären die Frauen wohl beunruhigt, aber gleichgültig dagegen. Geschäftig zu sein, war das einzige, was für sie zählte. Es war, als ob nur die Männer auf die Freiheit gesetzt hätten und nun merkten, daß die Chancen sich verringerten.
    In seiner eigenen Gruppe stellte Don Juan fest, daß es sich dort ähnlich verhielt. Die Frauen stimmten ihm bereitwillig zu, als er erkannte, daß seine Mittel unzulänglich waren. Don Juan sagte, daß die Frauen, auch wenn sie nie darüber sprachen, von vornherein nie geglaubt hätten, über irgendwelche Mittel zu verfügen; daher war es für sie ganz unmöglich, nun enttäuscht zu sein oder zu verzagen, als sie nun feststellen mußten, daß sie ohnmächtig waren. Das hatten sie schon lange gewußt.
    Don Juan erzählte uns, daß der Adler gerade deshalb zwei Gruppen von weiblichen Kriegern

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