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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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machen. Don Juan fürchtete, daß sie, wenn er seine Karten nicht richtig ausspielte, fortgehen würde. Er nutzte das Mitleid, das er bei ihr geweckt hatte, um Zeit zu gewinnen. Es gelang ihm, die Übergabe der Dokumente hinauszuzögern, indem er die doppelte Frau mit einer fiktiven Suche nach ihnen beschäftigte.
    Fast jeden Tag brachte er ihr ein anderes Dokument mit. Sie las es und bedauerte stets, daß es nicht das richtige sei. ,Das Mädchen zeigte sich von den armseligen Lebensbedingungen des alten Indianers so gerührt, daß sie sogar aus eigener Tasche die Gebühren für einen Notar auslegen wollte, um anstelle der vielen Papiere eine eidesstattliche Erklärung aufsetzen zu lassen.
    Dies, so fand Don Juan, war der richtige Zeitpunkt, um die Dokumente vorzulegen und eine Suche zu beenden, die drei Monate lang gedauert hatte.
    Inzwischen hatte sie sich an ihn gewöhnt und rechnete schon fast damit, ihn jeden Tag zu sehen.
    Don Juan kam ein letztes Mal, um ihr zu danken und sich von ihr zu verabschieden. Er erzählte ihr, daß er ihr gerne ein Geschenk mitgebracht hätte, um ihr seine Dankbarkeit zu zeigen, daß er aber nicht einmal Geld genug habe, um sich eine Mahlzeit zu leisten. Sie war von seiner Offenheit gerührt und lud ihn zum Essen ein. Während sie speisten, brachte er die Idee vor, daß ein Geschenk, mit dem jemand seine Dankbarkeit zeigen will, nicht notwendig ein gekaufter Gegenstand zu sein braucht. Es könne auch etwas sein, das nur für die Augen des Empfängers bestimmt ist. Etwas, an das man sich erinnern könne, statt es zu besitzen.
    Seine Worte weckten ihr Interesse. Don Juan erinnerte sie daran, wie sie gefühlsmäßig Anteil an den Indianern und ihren armseligen Lebensbedingungen genommen hatte. Er fragte sie, ob sie Lust hätte, die Indianer einmal in einem anderen Licht zu sehen; nicht als arme Hunde, sondern als Künstler. Er sagte ihr, er kenne einen alten Mann, der der letzte eines Geschlechts von Kraft-Tänzern sei. Er versicherte ihr, der Mann würde auf seine Bitte hin für sie tanzen; und außerdem versicherte er ihr, daß sie so etwas noch nie im Leben gesehen hätte und es auch nie wieder sehen würde. Es sei etwas, das nur die Indianer sehen könnten.
    Sie war begeistert von der Idee. Sie holte ihn nach dem Dienst ab, und dann fuhren sie in die Berge hinaus, wo der Indianer, wie er ihr sagte, angeblich wohnte. Don Juan brachte sie zu seinem eigenen Haus. Er ließ sie den Wagen in einiger Entfernung parken, dann gingen sie den Rest der Strecke zu Fuß. Bevor sie das Haus erreichten, blieb er stehen und zog mit dem Fuß eine Linie im trockenen Straßenstaub. Diese Linie, so erzählte er ihr, sei eine Grenze, und er überredete sie, diese zu überschreiten.
    Die Nagual-Frau selbst erzählte mir, sie sei bis dahin sehr fasziniert von der Möglichkeit gewesen, einen echten indianischen Tänzer zu sehen, aber es habe sie beunruhigt, als der alte Indianer eine Linie im Straßenstaub zog und diese als Grenze bezeichnete, die man nur in einer Richtung überschreiten könne.
    Der alte Mann trieb den Vergleich mit einer Grenze sogar noch weiter und sagte ihr, diese Grenze sei für sie ganz allein bestimmt, und einmal darüber hinweg geschritten, gebe es für sie keine Rückkehr mehr.
    Die Nagual-Frau, so erzählte sie mir später, zeigte offenbar ein so besorgtes Gesicht, daß der alte Indianer versuchte, sie zu beschwichtigen. Er tätschelte ihr sanft den Arm und garantierte ihr, es werde ihr kein Schaden zustoßen, solange er da sei. Die Grenze, so erklärte er, sei als eine Art symbolische Entlohnung für den Tänzer zu verstehen, denn dieser wolle kein Geld. Das Geld sei durch ein Ritual ersetzt, und das Ritual verlange eben, daß sie von sich aus diese Grenze überschritt.
    Der alte Indianer schritt fröhlich über die Linie hinweg und erzählte ihr, er persönlich halte dies alles für schieren Indianer-Blödsinn, doch der Tänzer, der sie vom Innern seines Hauses beobachte, müsse aufgemuntert werden, wenn sie ihn tanzen sehen wolle.
    Die Nagual-Frau sagte, sie sei plötzlich so erschrocken, daß sie sich nicht überwinden konnte, die Linie zu überschreiten. Der alte Indianer versuchte sie zu überreden und sagte, das Überschreiten dieser Grenze habe eine wohltätige Wirkung auf den ganzen Körper. Sie zu überschreiten, habe nicht nur bewirkt, daß er sich jünger fühlte, sondern ihn tatsächlich verjüngt, denn solche Kraft habe diese Grenze. Um dies zu demonstrieren, kam er

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