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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Folge war, daß ich einen Moment lang zwei Ansichten von der Welt hatte. Ich erblickte die Welt als durch die Nebelwand zweigeteilt, und gleichzeitig starrte ich direkt auf eine Mauer gelblicher Dämpfe.
    Das letztere Bild gewann das Übergewicht, und irgend etwas riß mich in den Nebel hinein und hindurch.
    Und noch etwas lernten wir, nämlich jenen Ort als real zu betrachten. Unsere Reisen gewannen für uns die Faktizität eines Ausflugs in die Berge oder einer Seereise in einem Segelboot. Die wüste Ebene mit den Sanddünen ähnlichen Hügeln war für uns so real wie jeder andere Teil der Welt.
    La Gorda und ich hatten den ganz rationalen Eindruck, daß wir drei eine Ewigkeit in der Welt zwischen den parallelen Linien verbrachten, und doch vermochten wir uns nicht daran zu erinnern, was dort eigentlich vor sich ging. Wir erinnerten uns nur an die schrecklichen Augenblicke, wenn wir sie wieder verließen, um in die alltägliche Welt zurückzukehren. Es war immer ein Augenblick höchster Angst und Unsicherheit.
    Don Juan und alle seine Krieger verfolgten unsere Bemühungen mit großer Anteilnahme, doch der einzige, der seltsamerweise bei allen unseren Aktivitäten fehlte, war Eligio. Obwohl er selbst ein unübertroffener Krieger war, vergleichbar mit den Kriegern aus Don Juans eigenem Trupp, beteiligte er sich nie an unserem Kampf und half uns auch in keiner Weise. Aber niemand erklärte uns warum.
    La Gorda erklärte, daß es Eligio gelungen sei, sich an Emilito zu heften und so den Nagual Juan Matus zu steuern. Für ihn bestand unser Problem nicht, denn er konnte im Handumdrehen in die zweite Aufmerksamkeit überwechseln. Die Reise in das Reich der zweiten Aufmerksamkeit fiel ihm so leicht wie ein Fingerschnalzen.
    La Gorda erinnerte mich an einen bestimmten Tag, als Eligios ungewöhnliche Begabung es ihm ermöglichte, herauszufinden, daß ich nicht der richtige Mann für sie sei, und dies lange bevor ein anderer die Wahrheit ahnte.
    Ich saß damals auf der hinteren Veranda von Vicentes Haus im Norden Mexikos, als plötzlich Emilito und Eligio eintrafen. Wir alle betrachteten es als selbstverständlich, daß Emilito immer wieder für lange Zeitspannen verschwinden mußte. Wenn er dann wieder auftauchte, nahm jedermann es als ebenso selbstverständlich hin, daß er von einer Reise zurückkehrte. Niemand stellte ihm irgendwelche Fragen. Was er gefunden hatte, erzählte er zuerst Don Juan und dann jedem, der seinen Bericht hören wollte.
    An jenem Tag war es, als wären Emilito und Eligio gerade durch die Hintertür ins Haus gekommen. Emilito war überschwänglich wie immer. Eligio war wie üblich still und melancholisch. Immer wenn die beiden zusammen waren, schien es mir, als ob Emilitos strahlende Persönlichkeit Eligio erdrückte und ihn noch melancholischer machte.
    Emilito ging ins Haus, um nach Don Juan zu sehen, und Eligio kam zu mir heraus. Er lächelte und setzte sich neben mich. Er legte mir den Arm um die Schulter und brachte seinen Mund ganz nah an mein Ohr, um mir zuzuflüstern, daß er das Siegel der parallelen Linien aufgebrochen habe und in einen Zustand eingehen könne, den Emilito die Herrlichkeit nannte.
    Eligio fuhr fort und erklärte mir gewisse Dinge über die Herrlichkeit, die ich nicht begreifen konnte. Es war, als könne mein Denken sich nur auf die äußeren Umstände dieses Ereignisses konzentrieren. Nachdem Eligio es mir erklärt hatte, nahm er mich an der Hand und führte mich in die Mitte des Patio, wo ich stehen bleiben und mit leicht angehobenem Kinn zum Himmel aufblicken sollte. Er stellte sich rechts neben mich und nahm die gleiche Haltung ein. Er befahl mir, loszulassen und mich rückwärts fallen zu lassen -gezogen von der Schwere meines Hinterkopfes. Irgend etwas packte mich von hinten und zog mich hinab. Hinter mir war ein Abgrund. Ich fiel hinein. Und plötzlich befand ich mich auf der wüsten Ebene mit den dünenartigen Hügeln.
    Eligio forderte mich auf, ihm zu folgen. Er sagte, der Rand der Herrlichkeit liege jenseits der Hügel. Ich begleitete ihn, bis er nicht mehr weiter konnte. Er lief ganz mühelos vor mir her, als ob er aus Luft wäre. Auf dem Gipfel eines großen Hügels blieb er stehen und wies hinüber. Er lief zu mir zurück und bat mich, auf diesen Hügel hinaufzukriechen, der, wie er mir sagte, der Rand der Herrlichkeit sei. Er war nur etwa hundert Fuß von mir entfernt, aber ich konnte mich keinen Zentimeter mehr weiterbewegen.
    Er versuchte mich den Hügel

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