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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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hinanzuschleppen; er konnte mich nicht von der Stelle bewegen.
    Mein Gewicht schien um das Hundertfache vermehrt. Schließlich mußte Eligio Don Juan und seinen Trupp anrufen. Cecilia hob mich auf ihre Schultern und trug mich hinaus.
    La Gorda fügte noch hinzu, Emilito habe Eligio diese Idee eingegeben. Emilito befolgte dabei genau die Regel. Mein Kurier war in die Herrlichkeit gereist. Es war ein zwingendes Gebot, daß er sie mir zeigte.
    Ich erinnerte mich noch an den Eifer in Eligios Gesicht und die Inbrunst, mit der er mich drängte, noch eine letzte Anstrengung zu machen, um die Herrlichkeit zu schauen. Ich erinnerte mich auch an seine Trauer und Enttäuschung, als es mir nicht gelang. Er sprach nie wieder mit mir.
    La Gorda und ich waren von unseren Reisen hinter die Nebelwand so in Anspruch genommen, daß wir ganz vergessen hatten, daß uns nun das nächste Nicht-Tun jener Reihe bevorstand.
    Dieses konnte, wie Silvio Manuel uns sagte, verheerende Wirkung haben, und es bestand darin, zusammen mit den Schwesterchen und den drei Genaros die parallelen Linien zu überschreiten, direkt zum Eingang in die Welt der totalen Bewußtheit. Dona Soledad blieb ausgeschlossen, weil seine Taten des Nicht-Tuns nur für Träumer bestimmt waren und sie eine Pirscherin war.
    Silvio Manuel fügte hinzu, er erwarte von uns, daß wir uns mit der dritten Aufmerksamkeit vertraut machten, indem wir uns immer wieder dem Anblick des Adlers aussetzten. Er bereitete uns auf den Schock vor; er erklärte uns, daß die Reise eines Kriegers zu den wüsten Sanddünen ein vorbereitender Schritt für das eigentliche Überschreiten der Grenzen sei. Hinter die Nebelwand vorzudringen, während man sich im Zustand gesteigerter Bewußtheit befindet oder während man das Träumen tut, erfordere nur einen sehr kleinen Teil unserer totalen Bewußtheit, während der körperliche Übertritt in die andere Welt den Einsatz unseres ganzen Seins verlange.
    Silvio Manuel war auf die Idee gekommen, eine wirkliche Brücke als Symbol des Übergangs zu benutzen; er behauptete, daß die Brücke zu einem Platz der Kraft hinführe und daß solche Plätze der Kraft Spalten, Durchlässe in die andere Welt seien. Er meinte nun, la Gorda und ich hätten vielleicht schon genügend Stärke gewonnen, um den Anblick des Adlers zu ertragen.
    Nun verkündete er, es sei meine persönliche Pflicht, die drei Frauen und die drei Männer zusammenzurufen und ihnen zu helfen, sich in ihren schärfsten Bewusstheitszustand zu versetzen. Dies sei das mindeste, was ich für sie tun könne, nachdem ich vielleicht daran mitgewirkt hatte, ihre Chancen der Freiheit zu zerstören.
    Als Zeitpunkt unserer Aktion wählte er die Stunde kurz vor Anbruch der Morgendämmerung, das Zwielicht des frühen Tages. Pflichtgetreu versuchte ich, ihnen beim Überwechseln in die andere Aufmerksamkeit zu helfen, wie Don Juan es bei mir gemacht hatte. Da ich aber keine Ahnung hatte, wie ich ihre Körper manipulieren, noch was ich überhaupt mit ihnen machen sollte, endete es damit, daß ich sie auf den Rücken prügelte. Nach mehreren trostlosen Versuchen mußte Don Juan zuletzt selbst eingreifen. Er machte sie so bereit, wie sie nur sein konnten, und vertraute sie mir an, damit ich sie wie eine Herde Rindvieh über die Brücke trieb.
    Meine Aufgabe war, sie einen nach dem anderen über die Brücke zu führen. Der Platz der Kraft lag am südlichen Ende der Brücke, was ein sehr günstiges Omen war. Silvio Manuel hatte vor, als erster hinüberzugehen, dann zu warten, bis ich sie bei ihm ablieferte, und uns dann als Gruppe in das Unbekannte zu geleiten.
    Silvio Manuel ging hinüber, gefolgt von Eligio, der mich keines Blickes würdigte. Ich hielt die sechs Lehrlinge als fest geschlossene Gruppe am Nordende der Brücke beisammen. Sie waren verängstigt; sie rissen sich von mir los und liefen in verschiedene Richtungen davon. Die drei Frauen konnte ich nacheinander einfangen und sie bei Silvio Manuel abliefern. Er hielt sie am Eingang zum Spalt zwischen den Welten fest. Die drei Männer waren zu schnell für mich. Ich war zu erschöpft, um ihnen nachzulaufen.
    Ich spähte über die Brücke zu Don Juan hinüber und hoffte auf seine Anleitung. Er und der Rest seines Trupps und die Nagual-Frau standen dicht gedrängt und sahen zu mir herüber. Sie hatten mich mit Gebärden angefeuert, hinter den Frauen und den Männern herzulaufen, und über meine stümperhaften Bemühungen gelacht. Don Juan bedeutete mir mit einem

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