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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Lebenskraft entleert, also praktisch tot wäre, müßten sie alle der Reihe nach neue Energie in meinen Körper hauchen. In jener Welt könne jeder, der noch Lebenskraft habe, diese einem anderen geben, indem er ihn anhaucht. Sie hauchten also ihren Atem an all die Stellen meines Körpers, wo es eine Möglichkeit gab, ihn zu speichern. Silvio Manuel hauchte als erster, dann die Nagual-Frau. Den Rest von mir bildeten alle Mitglieder aus dem Trupp des Nagual Juan Matus.
    Nachdem sie mir ihre Energie eingehaucht hatten, brachte die Nagual-Frau mich aus dem Nebel heraus und in Silvio Manuels Haus. Sie legte mich mit dem Kopf nach Südosten auf den Boden.
    La Gorda sagte, ich hätte ausgesehen wie tot. Sie selbst und die Genaros und die drei Schwesterchen waren dabei. Die Nagual-Frau erklärte ihr, daß ich krank sei, daß ich aber eines Tages wiederkommen und ihnen helfen würde, ihre Freiheit zu finden, weil ich selbst vorher nicht die Freiheit erlangen könne. Dann gab Silvio Manuel mir seinen Atem und rief mich ins Leben zurück. Dies war auch der Grund, warum sie und die Schwesterchen sich daran
    erinnerten, daß er mein Meister sei. Er trug mich zum Bett und ließ mich ausschlafen, als ob nichts geschehen wäre. Als ich erwachte, reiste ich ab - und kehrte nie wieder zurück. Und dann vergaß la Gorda alles, weil niemand sie je wieder in die linke Seite hinüberstieß. Sie ließ sich in der Stadt nieder, wo ich sie später zusammen mit den anderen antraf. Dort hatte der Nagual Juan Matus zwei getrennte Haushalte begründet: Genaro kümmerte sich um die Männer, der Nagual nahm die Frauen in seine Obhut.
    Als ich damals einschlief, hatte ich mich niedergeschlagen und schwach gefühlt. Als ich dann erwachte, fühlte ich mich ganz bei Kräften, überschwänglich, von einer ungewöhnlichen und mir unbekannten Energie erfüllt. Mein Wohlbefinden wurde nur dadurch geschmälert, daß Don Juan mir sagte, ich müsse la Gorda verlassen und mich allein um die Vervollkommnung meiner Aufmerksamkeit bemühen, bis ich vielleicht eines Tages wiederkommen könne, um ihr zu helfen. Er sagte mir auch, ich solle nicht verzagen oder mich entmutigen lassen, denn der Träger der Regel würde sich schließlich doch noch einstellen, um mir meine wahre Aufgabe zu enthüllen.
    Danach sah ich Don Juan lange nicht mehr. Als ich zurückkehrte, ließ er mich immer wieder von der rechten zur linken Seite der Bewußtheit überwechseln, und zwar um zweierlei zu erreichen: erstens, damit ich meine Beziehung mit seinen Kriegern und der Nagual-Frau fortsetzen konnte, und zweitens, damit er mich der unmittelbaren Obhut Zuleicas anvertrauen konnte, mit der ich die restlichen Jahre meiner Verbindung mit Don Juan in dauernder Interaktion stand.
    Don Juan sagte mir, er habe mich deshalb in die Obhut Zuleicas geben müssen, weil Silvio Manuels Unterweisung zwei verschiedene Arten der Unterweisung für mich vorsah: eine für die rechte Seite und eine für die linke. Die Unterweisung für die rechte Seite betraf den Zustand normaler Bewußtheit, und dabei ging es darum, mich zu der rationalen Überzeugung zu führen, daß in den Menschen noch eine andere Art der Bewußtheit verborgen liegt. Für diese linksseitige Unterweisung war Don Juan verantwortlich. Die Unterweisung der linken Seite war Zuleica übertragen worden; sie betraf den Zustand gesteigerter Bewußtheit, und dabei ging es ausschließlich um die Handhabung der zweiten Aufmerksamkeit. Also verbrachte ich, jedesmal wenn ich nach Mexiko fuhr, die Hälfte meiner Zeit mit Zuleica und die andere Hälfte mit Don Juan.

13. Die Feinheiten der Kunst des »Träumens«
    Don Juan eröffnete die Aufgabe, mich in die zweite Aufmerksamkeit zu geleiten, indem er mir sagte, daß ich bereits große Erfahrung darin hätte, in sie einzutreten. Silvio Manuel habe mich nämlich direkt zum Eingang geführt. Der Fehler sei nur gewesen, daß mir nicht die richtigen Begründungen mitgeteilt wurden. Männliche Krieger müssen nämlich ernsthafte Gründe erfahren, bevor sie sicher in das Unbekannte vordringen können Weibliche Krieger haben dies nicht nötig, und sie können ohne Zögern voranschreiten, vorausgesetzt, daß sie völliges Vertrauen zu demjenigen haben, der sie geleitet.
    Er sagte mir, ich müsse zuerst einmal die Feinheiten der Kunst des Träumens lernen. Dann gab er mich in Zuleicas Obhut und Kontrolle. Er ermahnte mich, makellos zu sein und peinlich genau zu üben, was er mich gelehrt hatte, vor allem aber

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