Die Kunst des Pirschens
öffnete die Augen, oder besser gesagt, meine Augen öffneten sich von selbst.
Zuleica starrte mich an. Ich war einen Moment sehr verwirrt. Ich dachte, ich sei erwacht; und Zuleica in Fleisch und Blut vor mir zu sehen, hatte ich nicht erwartet. Ich hatte mich daran gewöhnt, nur ihre Stimme zu hören. Auch war ich überrascht, daß es nicht mehr Nacht war. Ich drehte mich um. Wir waren nicht in Zuleicas Haus. Und nun kam mir die Erkenntnis, daß ich träumte, und ich erwachte.
Von nun an konzentrierte sich Zuleica auf einen anderen Aspekt ihrer Unterweisung. Sie lehrte mich die Fortbewegung. Sie begann ihren Unterricht damit, daß sie mir befahl, meine Bewußtheit in die Mitte meines Körpers zu verlagern. Bei mir ist die Körpermitte unter dem unteren Rand des Nabels. Sie befahl mir, mit dieser Stelle den Boden zu fegen, das heißt, eine schaukelnde Bewegung mit meinem Bauch auszuführen, als ob ein Besen daran befestigt wäre.
In zahllosen Sitzungen bemühte ich mich zu tun, was ihre Stimme mich zu tun drängte. Sie erlaubte mir nicht, in den Zustand ruhiger Wachsamkeit einzutreten. Es war ihre Absicht, mich dahin zu bringen, daß ich die Wahrnehmung, als fege ich mit meiner Körpermitte den Boden, hervorrufen konnte, während ich mich im Wachzustand befand. Auf der linken Seite der Bewußtheit zu sein, so sagte sie, sei vorteilhaft genug, um bei dieser Übung gut abzuschneiden.
Eines Tages gelang es mir dann, und zwar ohne für mich einsichtigen Grund, ein vages Gefühl in der Magengegend zu empfinden. Es war nichts Bestimmtes, und als ich meine Aufmerksamkeit darauf richtete, erkannte ich, daß es ein prickelndes Gefühl in meiner Leibeshöhle war, nicht direkt im Magen, sondern etwas höher. Je genauer ich es untersuchte, desto mehr Einzelheiten bemerkte ich. Die Unbestimmtheit dieses Gefühls verwandelte sich bald in eine Gewißheit. Und es gab, was die Nervosität oder das prickelnde Gefühl betraf, einen seltsamen Zusammenhang zwischen meinem Solarplexus und meiner rechten Wade.
Als diese Empfindung akuter wurde, zog ich unwillkürlich meinen rechten Schenkel gegen die Brust. Auf diese Weise lagen die beiden Punkte so nah beieinander, wie meine Anatomie es erlaubte. Einen Augenblick zitterte ich vor übermäßiger Nervosität, und dann spürte ich ganz deutlich, daß ich mit meiner Körpermitte den Boden fegte; es war eine taktile Empfindung, die sich immer wieder einstellte - jedesmal wenn ich in sitzender Haltung meinen Körper schaukelte.
Bei meiner nächsten Sitzung gestattete Zuleica mir, in einen Zustand der ruhigen Wachsamkeit einzutreten. Diesmal aber war dieser Zustand ganz anders als zuvor. Anscheinend gab es in mir so etwas wie eine Kontrolle, die mich daran hinderte, ihn frei zu genießen, wie ich es früher getan hatte; eine Kontrolle, die mich auch veranlaßte, mich auf die Schritte zu konzentrieren, die ich unternommen hatte, um in diesen Zustand einzutreten. Zuerst bemerkte ich das Jucken an der Stelle der zweiten Aufmerksamkeit auf meiner leuchtenden Schale. Ich massierte diese Stelle, indem ich dort meine Finger bewegte, als ob ich Harfe spielte, und die Stelle sank gegen meinen Magen ein. Ich spürte sie beinah auf der Haut. Dann spürte ich ein Prickeln an der Außenseite meiner rechten Wade. Es war eine Mischung aus Lust und Schmerz. Diese Empfindung breitete sich auf mein ganzes Bein aus und dann auf den unteren Teil meines Rückens. Ich spürte, daß meine Arschbacken zitterten. Mein ganzer Körper wurde von einem nervösen Beben erfaßt. Mir war, als hinge mein Körper kopfüber in einem Netz gefangen.
Meine Stirn und meine Zehen schienen sich zu berühren. Ich hatte anscheinend die Form eines geschlossenen U. Dann hatte ich das Gefühl, als würde ich auseinandergefaltet und in ein Laken gewickelt. Und zwar waren es meine nervösen Zuckungen, die bewirkten, daß das Laken sich - mit mir in der Mitte - von selbst aufrollte. Als das Aufrollen beendet war, konnte ich meinen Körper nicht mehr spüren. Ich war nur noch amorphe Bewußtheit, ein in sich selbst eingewickeltes nervöses Zucken. Diese Bewußtheit fand endlich in einer Falte, in einer Vertiefung in sich selbst Ruhe.
Jetzt verstand ich die Unmöglichkeit, zu schildern, was beim Träumen stattfindet. Zuleica sagte, daß dabei die links- und rechtsseitige Bewußtheit zusammen aufgewickelt werden. Die beiden kommen dann in einem einzigen Bündel in der Delle zur Ruhe, im vertieften Mittelpunkt der zweiten Aufmerksamkeit. Um
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